Neue Krisenrunde in Lettland: Entlassungen und Zwangsurlaub

Regierung in Riga will jedes zweite Krankenhaus schließen und tausenden Lehrern kündigen. Dennoch droht die Abwertung des Lats mit dramatischen Folgen.

Die Letten müssen sich auf eine Abwertung des Lats einstellen. Bild: reuters

STOCKHOLM taz |Die Wirtschafts- und Finanzkrise in Lettland verschärft sich. Die Wirtschaftsleistung gemessen am Bruttosozialprodukt ist im ersten Quartal um 18 Prozent gefallen - so tief wie in keinem anderen EU-Land. Das Parlament reagierte und behandelte in der vergangenen Woche Gesetze, die zu einer Kürzung der Staatsausgaben um 40 Prozent führen und das Budgetdefizit auf sieben Prozent begrenzen sollen. Über eine Abwertung der eigenen Währung wird diskutiert, noch ist sie aber nicht beschlossen.

Klar ist aber, dass tausende von LehrerInnen entlassen und fast die Hälfte der Krankenhäuser geschlossen werden. Die Löhne der Staatsangestellten werden gekürzt, zudem müssen sie monatlich einen Tag unbezahlten Urlaub nehmen. Doch die aufgrund der Rezession weiter sinkenden Steuereinnahmen drohen alle diese Bemühungen zunichtezumachen. Statt zu sinken, wird das Staatsdefizit in diesem Jahr vermutlich auf 10 bis 12 Prozent ansteigen. Das liegt weit über der Marke von 5 Prozent, die EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds (IWF) zur Bedingung gemacht haben, um Riga die im vergangenen Jahr zugesagten Notkredite auszuzahlen. Die damals versprochenen 7,5 Milliarden Euro entsprachen zu dieser Zeit einem Drittel des lettischen Bruttosozialprodukts.

Seither ist die Abhängigkeit von diesen Geldern, die allein bisher einen Staatsbankrott verhindert haben, noch größer geworden. Die letzte Rate in Höhe von 200 Millionen Euro war bereits gestoppt worden.

Brüssel und IWF haben sich bislang noch nicht geäußert, ob sie die Juni-Rate auszahlen und eine Überschreitung der Defizitrate akzeptieren werden. Diese Ungewissheit hat den Druck auf die Landeswährung Lats noch weiter verstärkt. In der vergangenen Woche scheiterte die Nationalbank erstmals mit dem Versuch, auf den internationalen Finanzmärkten staatliche Schuldverschreibungen zu platzieren. Trotz hoher Zinsen ist den Anlegern das Risiko zu groß geworden. Wöchentlich fast 100 Millionen Euro musste Riga zuletzt in den Devisenmarkt pumpen, um den Kurs des fest an den Euro gebundenen Lats zu verteidigen. Gelder, die woanders viel dringender benötigt würden. Daher wurden nun erstmals auch aus der lettischen Regierung Stimmen laut, die eine Abwertung der eigenen Währung forderten. Die Unsicherheit wurde noch verstärkt, als Stockholm in der vergangenen Woche Vorbereitungen traf, den in Lettland stark engagierten schwedischen Banken für den Fall einer Lats-Abwertung mit Staatshilfe beizuspringen. Finanzminister Anders Borg dachte bereits laut über eine mögliche Bankenverstaatlichung als Folge massiver Kreditverluste im Baltikum nach.

Die schwedischen Kreditinstitute beherrschen den lettischen Bankenmarkt, haben dort in der Vergangenheit hohe Gewinne gemacht und sind mit einer jahrelangen unverantwortlich großzügigen Kreditpolitik für einen Teil der jetzigen finanziellen Schwierigkeiten Lettlands verantwortlich. Der Stabilität des Lats haben sie allerdings von vorneherein misstraut und ihre KundInnen mit niedrigen Zinsen dazugebracht, Kredite nicht in der einheimischen Währung, sondern in Euro, Dollar und Schweizer Franken aufzunehmen. Käme es nun zu der mittlerweile ins Gespräch gebrachten Abwertung des Lats um 30 bis 50 Prozent, würden sich die Schulden von 90 Prozent der 200.000 lettischen KreditnehmerInnen, die solche Fremdwährungskredite bei schwedischen Banken aufgenommen haben, mit einem Schlag um den entsprechenden Prozentsatz erhöhen.

Eine Abwertung würde aber nicht nur diese Privathaushalte treffen und die Rückzahlung der mittlerweile aufgenommenen ausländischen Staatsschulden verteuern. Ein lettischer Alleingang würde den Abwertungsdruck auf die ebenfalls an den Euro gebundenen Währungen Estlands und Litauens verstärken und könnte auch zu entsprechenden Reaktionen in Osteuropa führen. Und das hätte wiederum Konsequenzen für die dort stark engagierten westeuropäische Banken, vor allem aus Ländern wie Schweden und Österreich.

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