CSU-Politiker Geis über NS-Kriegsverräter: "Keinen Grund, etwas zu ändern"

CSU-Politiker Norbert Geis ist ein entschiedener Gegner einer pauschalen Rehabilitierung der Kriegsverräter. Er meint: "Warum sollen wir jetzt ändern, was 2002 richtig war?"

Der 70-jährige CSU-Politiker und Jurist ist seit 1987 direkter gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Aschaffenburg. Er gehört zum konservativen Flügel der Union.

taz: Herr Geis, warum sperren Sie sich gegen die pauschale Aufhebung der Urteile gegen Kriegsverräter?

Norbert Geis: Weil ich die Einzelfallprüfung für besser halte. Die gilt seit Kriegsende und hat sich bewährt. Rot-Grün hat diese Praxis 1998 und 2002 bestätigt. Es gibt keinen Grund, davon abzuweichen.

Einzelfallprüfungen sind für die Angehörigen der Opfer schwierig.

Nein. Die Einzelprüfung garantiert ein Höchstmaß an Gerechtigkeit, die pauschale Aufhebung nicht.

Sie unterstellen, dass als Kriegsverräter Verurteilte eigennützig ihre Kameraden verraten haben. Es gibt aber gar keinen solchen nachgewiesenen Fall.

Ich unterstelle gar nichts. Wir wissen es nur nicht. Und ich kann keinen Rechtsakt auf der Vermutung aufbauen, dass alle wegen Kriegsverrat Verurteilten unschuldig waren. Das kann ein Rechtsstaat sich nicht erlauben.

Der Historiker Wolfram Wette hat in einer Untersuchung gezeigt, dass Kriegsverräter willkürlich wegen allem Möglichen hingerichtet wurden - aber nicht, weil sie eigenützig das Leben anderer riskiert haben, wie Sie immer nahelegen.

Herr Wette hat nur Stichproben gemacht. In den untersuchten Fällen war es so. Aber ein wissenschaftliches Ergebnis ist das nicht.

Wenn man Ihrer Logik folgt, heißt das: Man muss erst alle Fälle einzeln untersuchen, ehe es eine komplette Rehabilitierung geben darf. Nur dann ist ausgeschlossen, dass es keinen einzigen Fall eigennützigen Verrats gab.

Einen Fall oder mehrere. Wir wissen es nicht. Deshalb bleiben wir bei der Einzelfallprüfung. Das hat bis jetzt hervorragend geklappt.

Die Union scheint stets so lange Widerstand gegen die Rehabilitierung von NS-Opfern zu leisten, bis es nicht mehr anders geht. Schon gegen die Rehabilitierung von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern hat sie in gleicher Weise argumentiert.

Ja, das ist richtig. Aber 2002 hatte doch auch die SPD Vorbehalte gegen die pauschale Rehabilitierung von Kriegsverrätern. Warum sollen wir jetzt ändern, was 2002 richtig war? Es gibt doch keine neuen Tatsachen.

Es gibt die Studie Ihres Parteifreundes, des Verfassungsrechtlers Hans Hugo Klein, der die NS-Kriegsverratsurteile für krass rechtsstaatswidrig hält.

Das ist doch keine neue Tatsache, sondern die Interpretation einer Strafnorm. Klein beurteilt diese offenbar anders als die Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig und Hertha Däubler-Gmelin.

Herr Geis, was spricht eigentlich dagegen, klüger zu werden?

Nichts. Ich schätze Hugo Klein. Aber ich halte die Einzelfallprüfung für besser. Sind wir heute so viel klüger als alle, die sich 60 Jahre lang damit befasst haben?

Auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung, ein CDU-Mann, hält eine pauschale Aufhebung der Urteile für möglich.

Ja, soll er. Das ist seine Meinung, nicht meine.

INTERVIEW: STEFAN REINECKE

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.