Gutachten zur Afghanistan-Politik: Friedensforscher rüffeln Regierung

Die Friedensforschungsinstitute kritisieren die Afghanistan-Politik der Bundesregierung. Die Lage in Afghanistan bleibe militärisch aussichtslos.

Bildung statt Waffen: Die Bundesregierung lernt dazu. Bild: reuters

BERLIN taz/epd | Die Lage in Afghanistan bleibe auch mit größerem militärischem Engagement aussichtslos, wenn nicht der Staatsaufbau stärker unterstützt werde, sagte Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden bei der Vorstellung des Friedensgutachtens 2009 der fünf wissenschaftlichen Institute für Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland.

In Konflikten wie in Afghanistan, im Nahen Osten oder im Sudan werde stets unterstellt, dass mehr Truppen zu mehr Sicherheit führten und sich Kriege durch militärische Überlegenheit beenden ließen.

Die einseitige Sicht überspiele politische Konzeptionslosigkeit, kritisierten die Friedensforscher. "Seit acht Jahren nimmt Deutschland am Krieg der Nato in Afghanistan teil, der militärisch nicht zu gewinnen ist", heißt es in dem Gutachten. Seit 2004 habe sich die Sicherheitslage deutlich verschlechtert, der Aufbau neuer staatlicher Strukturen habe schwere Rückschläge erlitten.

Mit "legitimer Staatlichkeit an der sozialen Basis" stehe und falle "jede Afghanistan-Strategie", betonen die Forscher in ihrem Gutachten. Nur wenn militärische Stabilisierung und Entwicklung in den Dienst des Aufbaus einer "bürgernahen Staatlichkeit" gestellt werde, könne es gelingen, "die Bevölkerung für sich zu gewinnen". Der Aufbau von Polizei und Rechtswesen sei daher vorrangig.

Zu Pakistan hieß es, das Land drohe "zum Kollateralschaden des Afghanistankrieges zu werden". 2008 habe der Krieg dort bereits mehr Todesopfer gefordert als in Afghanistan selbst. Der Druck Washingtons auf die pakistanische Regierung, militärisch gegen Aufständische vorzugehen, sei kontraproduktiv. Die westliche Politik müsse vorrangig auf die Stabilisierung Pakistans ausgerichtet werden. Auch dort gehe es um den Aufbau einer bürgernahen Staatlichkeit, die sich die Loyalität der Menschen erarbeite.

Die Konzentration auf die militärische Bekämpfung der Piraterie beinhalte das Risiko des Scheiterns. Wer nur die "Seeräuberei mit aller Macht verhindern" wolle, schwäche "die Glaubwürdigkeit der Pirateriebekämpfung in der somalischen Gesellschaft, die aber zur Lösung des Problems entscheidend" sei. Erfolgversprechend sei eine Strategie, die den illegalen Fischfang und die Giftmüllverklappung vor Somalias Küsten verfolge.

In seinem zweiten Schwerpunkt befasst sich das Friedensgutachten mit den Chancen zu transatlantischer Kooperation, die sich aus der Politik Barack Obamas für Europa ergeben. Die Forscher warnen die europäischen Regierungen davor, sich in eine "bequeme Zuschauerloge" zurückzuziehen.

Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt könne nur Wirklichkeit werden, wenn auch die europäischen Atommächte, Großbritannien und Frankreich, zur Mitarbeit bereit seien. Deutschland könne einen Beitrag leisten, indem es auf ein "Ende der nuklearen Teilhabe" dränge.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) unterstützte die Forderungen des Friedensgutachtens 2009. In der Finanzkrise müssten die Industriestaaten zu ihren Zusagen stehen, sonst "riskieren wir eine Verschärfung der innerstaatlichen Konflikte in Entwicklungsländern". Die Situationen etwa in Afghanistan oder im Kongo zeigten eindrücklich, dass es teurer und schwieriger sei, Kriege zu beenden, als ihre Ursachen zu bekämpfen.

Das Gutachten wird im Auftrag des Bonner Internationalen Konversionszentrums, der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und des Instituts für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen erstellt.

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