Fußballmeister VfL Wolfsburg: Endlich etabliert

Der VfL Wolfsburg gewinnt zum ersten Mal die deutsche Fußball-Meisterschaft. Warum? Weil die Anschubfinanzierung (VW) und ein guter Trainer (Magath) da waren.

Felix Magath wäre nicht gegangen, "wenn ich der Meinung gewesen wäre, dass ich der Einzige bin, der die Mannschaft oben halten kann." Bild: dpa

Samstag, 23.05.2009:

FC Schalke 04 - Hoffenheim 2:3

VfL Wolfsburg - Werder Bremen 5:1

Eintr. Frankfurt - Hamburger SV 2:3

Bayern München - VfB Stuttgart 2:1

Ener. Cottbus - Bay. Leverkusen 3:0

Arminia Bielefeld - Hannover 96 2:2

Karlsruher SC - Hertha BSC 4:0

1. FC Köln - VfL Bochum 1:1

Mönchengladbach - Bor. Dortmund 1:1

Tabelle (Tordiff./Tore/Punkte):

1. VfL Wolfsburg +39 80:41 69

2. Bayern München +29 71:42 67

3. VfB Stuttgart +20 63:43 64

4. Hertha BSC +7 48:41 63

5. Hamburger SV +2 49:47 61

6. Borussia Dortmund +23 60:37 59

7. 1899 Hoffenheim +14 63:49 55

8. FC Schalke 04 +12 47:35 50

9. Bayer Leverkusen +13 59:46 49

10. Werder Bremen +14 64:50 45

11. Hannover 96 -20 49:69 40

12. 1. FC Köln -15 35:50 39

13. Eintr. Frankfurt -21 39:60 33

14. VfL Bochum -16 39:55 32

15. Mönchengladbach -23 39:62 31

16. Energie Cottbus -27 30:57 30

17. Karlsruher SC -24 30:54 29

18. Arm. Bielefeld -27 29:56 28

WOLFSBURG taz | Der VfL Wolfsburg ist deutscher Fußballmeister, weil er über den Verlauf der Saison gut und die komplette Rückrunde den besten und effizientesten Fußball gespielt hat. Das ist die Argumentation, mit der die Wolfsburger Verantwortlichen bei den Feierlichkeiten am Wochenende ihre erste Meisterschaft in der Fußball-Bundesliga zu legitimieren versuchten. Man habe es hier mit einem "Dreamteam" zu tun, sagte der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn.

Die Einschätzung wird allem Anschein nach im Land inzwischen überwiegend geteilt. Auch von mir: Selbst wenn wir sagen, der effizienteste Fußball sei nicht notwendigerweise der beste Fußball und der beste nicht der spektakulärste, so kommt in diesem Fall zusammen, was zusammengehören sollte. Der gut organisierte und sehr physische, tor-orientierte Wolfsburger Fußball hat das spektakuläre Moment, das den Zuschauern die besondere Emotion bringt und die Spiele auch jenseits des Ergebnisses im Gedächtnis verankert. Was will man mehr?

Das 5:1 gegen Werder Bremen am 34. Spieltag (Tore: Misimovic, Grafite 2, Dzeko, Eigentor Prödl - Diego) war ein erstaunlich unproblematischer Sieg, wie schon zuvor das 5:0 bei Hannover 96. Es war sicher nicht schädlich, dass es für 96 und Werder um nichts mehr ging. Aber Wolfsburg ließ auch nie den Verdacht aufkommen, es könne verkrampfen oder gar scheitern. Nach 15 Minuten stand es 2:0, der Rest war Schaulaufen in einem angenehm euphorisierten Ambiente.

In der Rückrunde kommt der VfL damit auf 14 Siege, 1 Remis, 2 Niederlagen (in Cottbus und Stuttgart). Die Heimbilanz ist noch besser: 16 Siege, 1 Remis. Aber beides sind nicht Gründe für den Erfolg, sondern Auswirkungen der personellen und spielerischen Entwicklung, seit Felix Magath im Juni 2007 das Team und auch den Klub übernommen hatte. Dieses Team gewinnt Stabilität und Ordnung durch die Achse Benaglio-Barzagli-Josue, dominiert weite Teile des Spielfeldes durch die Flügelpärchen Schäfer/Gentner und Riether/Hasebe, wird inspiriert von Torvorbereiter Mismimovic und hat vorn eine effektive Spektakelabteilung - ein Sturmduo, wie die Bundesliga noch keines hatte. Torschützenkönig Grafite hat 28 Tore erzielt (in 25 Spielen), sein Kollegen Edin Dzeko 26. Zusammen sind das 54 und damit eins mehr als die legendäre Bayern-Paarung Müller/Hoeneß Anfang der (goldenen) Siebziger.

Grafite, 30, hat sich innerhalb von anderthalb Jahren zu einem Angreifer entwickelt, der wie kein zweiter in der Liga Tempo mit Physis paart. Er sei der "durchsetzungsfähigste Spieler der Liga", sagte Felix Magath. Das kann man so stehen lassen. Dzeko, 23, brachte gegen Bremen mit seinem Tor zum 5:1 (Assist: Gentner) einen wichtigen Teil seines und des VfL-Spiels auf den Punkt, ansonsten war er ungewöhnlich schwach. Fragen nach seiner beruflichen Zukunft - Arsenal oder Chelsea? - wehrte er ab. Man werde "erstmal feiern" und dann "sehen, was passiert".

Wird das Team der VW-Tochter VfL Fußball GmbH auseinander brechen, wie mancherorten gemußtmaßt wird? Es sieht bisher nicht danach aus. VW wäre auch schön blöd, die grade gelungene Verknüpfung von Grafites Toren, Bundesligaspitze, Champions League und der Marke VW wieder aufzugeben. Der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Poetsch hat noch in der Samstagnacht das offene Geheimnis zur News gemacht, dass der neue Trainer Armin Veh heißt. Zum anderen hat er klar "Verstärkungen" angekündigt, "qualitativ und quantitativ", um den neuen Belastung von nationalem Spitzenteam und Champions League gewachsen sein zu können. Das war Veh und dem VfB Stuttgart nach dem Titelgewinn 2007 nicht gelungen. Die Verstärkungen beträfen auch das Management, sagte Poetsch, wo eine Besetzung des Sportdirektor-Postens offen ist, den bisher auch Magath inne hatte.

Was den künftigen Schalker Trainer Felix Magath angeht, so haben ihm die Stadt und das Fußballpublikum einen rauschenden Abschied bereitet. Das ist der Vorteil eines jungen und familienorientierten Fußballstandorts, dass man sich nicht in die überkommenen oder verlogenen Ehrprinzipien der Fußballtradition verbeißt. In Wolfsburg ist man daran gewöhnt, dass Manager kommen, im Hotel leben, und irgendwann wieder gehen. Wenn sie gute Arbeit gemacht haben, so ist das dann auch okay.

Der Trainer, "den Martin Winterkorn geholt hat", wie Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sicherheitshalber sagte - nur damit klar ist, wer letztlich verantwortlich ist - hat am Ende die emotionale Sicherheitszone des weitgereisten Fußballmachers zu relativieren versucht und beim Rathausempfang gesagt: "Es war keine Station bisher so schön, wie die in Wolfsburg." Na, also.

Man hat viel in Magath reinprojiziert. Wenn er lächelt, hat das immer gleich was Mephistophelisches. Wenn er im Tee rührt, gilt er als intellektuell. Und wenn er einen nicht brauchen kann, ist das sicher nicht angenehm. Unterm Strich steht: Er hat geliefert - was in dieser Branche (logischerweise) selten genug vorkommt, da ja nicht alle gewinnen können. Er hat deshalb geliefert, so sieht er das, weil "man mich hier hat gewähren lassen". Und er wäre nicht gegangen, "wenn ich der Meinung gewesen wäre, dass ich der Einzige bin, der die Mannschaft oben halten kann." Sein(e) Nachfolger übernähme(n) eine "intakte Mannschaft" und einen "intakten Verein" mit "viel Perspektive". Er, Magath, hat demnach die Grundlagen beim VfL Wolfsburg so gelegt, dass es jetzt sogar ein anderer schaffen kann.

Der VfL Wolfsburg ist der 13. Bundesligameister, aber erst der fünfte Klub, der im letzten Jahrzehnt, also in der Fußballneuzeit der Champions League und der dadurch entstandenen Veränderungen, deutscher Meister wurde - nach Bayern, Dortmund, Bremen und Stuttgart. Ohne die nicht durch Erlöse gedeckten Anschubfinanzierung von VW wäre das nicht gegangen. Das heißt: Weitere Klubs werden - abgesehen von Hoffenheim - kaum mehr in diesen elitären Kreis aufgenommen werden. Das gilt selbst für den HSV und vor allem auch für Schalke 04. Das heißt auch: Wolfsburg ist jetzt Establishment.

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