Datenschutz in Schleswig-Holstein: Bewerber-Gesundheitsdaten erfragt

Eine Kreisverwaltung in Schleswig-Holstein forderte, dass Bewerber ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Inakzeptabel, findet Datenschutzbeauftragter Weichert.

Fragebögen zum Gesundheitszustand von Mitarbeitern gibt's nicht nur bei Lidl. : dpa

HAMBURG taz | Die Welle der Datenschutzskandale hat jetzt die erste Behörde erreicht. Die Kreisverwaltung Schleswig-Flensburg befragte BewerberInnen in einem Einstellungstest über ihren Gesundheitszustand. Nach Einschätzung von Datenschützern ist das rechtswidrig.

Das Vorgehen des Landratsamtes fügt sich ein in eine Reihe skandalträchtiger Vorfälle in Unternehmen. Unter anderem waren bei der Discounter-Kette Lidl Fragebögen gefunden worden, in denen die Beschäftigten Auskunft über ihre Krankheiten geben mussten. Kürzlich wurde außerdem bekannt, dass die Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) sich nicht mehr mit einem Attest zufrieden gibt, wenn Studierende einer Prüfung fernbleiben wollen: Sie verlangt, dass die Studierenden ihre Ärzte von der Verschwiegenheitspflicht entbinden, um Genaueres über die Krankheit zu erfahren.

Der Landkreis Schleswig-Flensburg verlangte ebenfalls eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht. Außerdem verlangte er in einem Bewerbungsfragebogen detailliert Auskunft über gesundheitliche und emotionale Probleme.

Landrat Bogislav-Tessen von Gerlach ordnet das Vorgehen in den üblichen Prozess bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst ein. Amtsärzte müssten ohnehin jeden Bewerber untersuchen. Sollten sie dabei zum Beispiel eine Herzinsuffizienz feststellen, sei es für sie wichtig, beim Hausarzt nachfragen zu können, wie weit die Rehabilitation des Patienten gediehen sei.

Von Gerlach räumte ein, dass der detaillierte Fragebogen zum Gesundheitszustand problematisch sei, "weil er schriftlich in Details etwas dokumentiere, das nicht für jeden Mitarbeiter von Belang ist". Hier hätten alle Fachärzte des Gesundheitsdienstes ihre Fragen zusammengetragen, um die Anamnese zu erleichtern. Der Eindruck, der dadurch entstand, sei missverständlich.

Der Fragebogen "sei gut gemeint, aber schlecht gemacht gewesen", sagte von Gerlach. Er hätte eigentlich datenschutzrechtlich überprüft werden müssen. Sobald ihm die Probleme bekannt geworden seien, habe er ihn aus dem Verkehr gezogen.

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert bezeichnete den Fragebogen als nicht akzeptabel. Er "gehe weit über das hinaus, was erforderlich und mit dem Datenschutzrecht vereinbar wäre", sagte er. Der Arbeitgeber dürfe zwar alles abfragen, was für eine konkrete Tätigkeit relevant sein könne. Die Bewertung müsse dabei dem Arzt überlassen bleiben. "Die Befunddaten, die Anamnese gehen den Arbeitgeber nichts an", sagte Weichert.

Der Bremer Datenschutzbeauftragte, Sven Holst, nennt als Beispiel für eine zulässige Abfrage den Sehtest für einen Busfahrer. Gesundheitliche Daten dürften nur unter strengen Voraussetzungen erhoben werden. Wenn jemand im Bewerbungsverfahren einwillige, sie preiszugeben, sei das nicht wirksam, weil die Entscheidung ja nicht wirklich freiwillig sei.

Die Entbindung von der Schweigepflicht hält der schleswig-holsteinische Beauftragte Weichert für zu pauschal und "viel zu undifferenziert". Es sei das erste Mal, dass ihm bei Behörden etwas derartiges untergekommen sei. Weichert: "Ich hätte gehofft, dass sich schon früher jemand ans uns gewandt hätte." GERNOT KNÖDLER

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