EuGH-Urteil: Apotheken dürfen nicht an die Kette

21.500 Apotheken gibt es in Deutschland, mit einem Umsatz von 37 Milliarden Euro - der Europäische Gerichtshof hat gestern ihre Privilegien gesichert.

Nach dem EUGH-Urteil wird die DocMorris-Apotheke in Saarbrücken wohl wieder dicht machen müssen. Bild: dpa

Nach Risiken und Nebenwirkungen muss man die deutschen Apotheker in diesen Tagen nicht fragen. Sie sind einfach nur begeistert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern ihre Privilegien für rechtmäßig erklärt und damit deren Fortbestand vorerst gesichert. "Das ist ein guter Tag", jubelte gestern der Deutsche Apotheker-Verband, natürlich "für den Verbraucher- und Patientenschutz". Kluge Lobbyisten jubeln immer im Interesse der Allgemeinheit.

Es geht um einen gewaltigen Markt. 21.500 Apotheken gibt es in Deutschland, die einen Umsatz von jährlich 37 Milliarden Euro erwirtschaften. Wie bequem für die Apotheker, dass das deutsche Recht nur freiberuflichen Pharmazeuten das Führen einer Apotheke erlaubt. Konzerne dürfen in Deutschland keine Apotheken besitzen, selbst wenn sie als Filialleiter genauso gut qualifizierte Pharmazeuten anstellen würden.

Dieses Fremdbesitzverbot hat in Deutschland Tradition, auch wenn es im Ausland längst starke Apothekenketten gibt. Doch die Bundesregierung will an der kleinteiligen Struktur festhalten, schon aus Angst vor den Apotheker-Verbänden. Dafür nimmt sie sogar höhere Medikamentenkosten für Verbraucher und Kassen in Kauf.

Ungemach drohte den Apothekern weniger vom Staat als von der Konkurrenz. Denn der ursprünglich holländische Apothekenkonzern DocMorris schielt auch auf den deutschen Milliarden-Markt und hat mit Hilfe der saarländischen CDU-Landesregierung einen Prozess provoziert, der den schönen Schutzzaun stark gefährdet hat. In Saarbrücken wurde eine DocMorris-Filiale genehmigt, die eigentlich deutschem Recht widerspricht. Denn Filialleiterin Jutta Müller ist angestellt.

Doch bald wird DocMorris dieses Experiment beenden müssen. Der EuGH hat gestern das Fremdbesitzverbot bestätigt. Auch weiterhin dürfen Apotheken in Deutschland nur von selbstständigen Pharmazeuten geführt werden. Apotheken-Ketten haben damit bis auf Weiteres keine Chance. Ein gutes Urteil?

Auf den ersten Blick gehört die Sympathie sicher eher den kleinen Gewerbetreibenden als großen anonymen Konzernen. Schließlich steht der Apotheker an der Ecke täglich im Kontakt mit den Kunden und entwickelt so quasi natürlich ein Verantwortungsgefühl für die Abnehmer der Medikamente. An diesem Bild haben natürlich auch die Apotheken-Lobbyisten kräftig mitgestrickt. "Beratung geht vor Profit" ist ihr schönes Motto.

Gleichzeitig warnen sie vor dem angestellten Apotheker, der Zielvorgaben und Weisungen der fernen Konzernzentrale umsetzen muss. Hier werde eher im Unternehmensinteresse beraten, so der Unterton. Und tatsächlich wurde DocMorris inzwischen vom Stuttgarter Pharma-Großhändler Celesio übernommen. Dass man dort auch Interessen hat, liegt auf der Hand.

Allerdings geht es bei diesem Konflikt mal nicht um die drohende Privatisierung bisher staatlicher Leistungen, vielmehr kämpfen sozusagen zwei Kapitalfraktionen um denselben Markt. Und natürlich arbeitet auch der freiberufliche Apotheker, der in Deutschland maximal vier Apotheken besitzen darf, gewinnorientiert. Da kann man schon mal fragen, ob er wirklich so uneigennützig beraten kann, wie die Werbung immer suggeriert. Schließlich geht es um sein persönliches Geld und nicht um das einer anonymen Konzernzentrale.

Tatsächlich ist die Beratungsqualität der deutschen Apotheken nicht gerade beeindruckend, wie eine Untersuchung der Stiftung Warentest ergab. Und überhaupt: Wann braucht und bekommt man überhaupt eine Beratung in der Apotheke? Lohnen sich dafür die höheren Preise?

Umgekehrt könnte für eine Apothekenkette sprechen, dass hier die Zentrale den Einkauf und das Marketing übernimmt und so der Apotheker vor Ort mehr Zeit für die Kunden hat. Das ist natürlich auch ein romantisches Bild - aber nicht abwegiger als das vom treusorgenden Kleingewerbler an der Ecke.

Nun hat der EuGH entschieden: Es bleibt in Deutschland erst einmal alles, wie es ist. Und es ist ein gutes Urteil - weil die Richter sich zurückgehalten haben. Sie haben die politische Entscheidung akzeptiert und diese nicht mit Verweis auf die Niederlassungsfreiheit des EU-Rechts überspielt. Die Pfründen der Apotheker bleiben zwar bestehen, aber vielleicht sind sie ja wirklich die ethisch korrekteren Kapitalisten - wer weiß. Es ist jedenfalls keine Rechtsfrage. Schon gar nicht im Gesundheitswesen, das nicht EU-harmonisiert ist.

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