Die neue Heimat

Entstellt oder einfach nur aktualisiert? Der BR zeigt das Hans-Söllner-Porträt „Der Bayerische Rebell“ in einer neuen Fassung (0.00 Uhr)

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Beides beginnt mit den Bergen: die BR-Reihe „Alpenrock Porträts“ mit einem stilisierten Matterhorn, um das sich, einem Ehrenkranz gleich, einige Edelweißblüten ranken, und Andreas Stiglmayrs Dokumentarfilm „Der bayrische Rebell“ mit einem melancholischen Blick auf die nebelverhangenen Gipfel über Bad Reichenhall, Berchtesgadener Land, Heimat des Liedermachers Hans Söllner. Und Heimat der Heimat schlechthin.

Die Geranien vor der Hütte, die Gams auf dem Berg, das klingt nach einem Hort restaurativer Gemütlichkeit. Und vielleicht erklärt sich so bereits das Erfolgsmodell Söllners: Er ist einer, der aus dieser Mythenlandschaft kommt, um auf ihr herumzutrampeln. „In Bad Reichenhall gab’s keine Sympathisanten für Baader und Meinhof“, wie er es selbst es umschreibt.

Aber um Söllner, für den das alberne Wortspiel von der „Rastafahndung“ erfunden wurde, soll es im Folgenden nur am Rande gehen. Auch nicht um einen bayerischen Innenminister, der den Liedermacher immer wieder vor den Kadi zieht. Nicht um T-Shirts mit der Aufschrift „Marihuana Import/Export“, die Söllner einmal eine Hausdurchsuchung eingebracht haben. Auch nicht um den nackten Hintern, den er so gerne präsentiert.

Es geht um Andreas Stiglmayrs Söllner-Film „Der bayerische Rebell“, der – nachdem er 2004 erfolgreich in den Kinos lief – heute Abend im BR zu sehen ist. Und es geht darum, in welcher Form die fast zur Gänze ohne öffentliche Fördergelder realisierte Dokumentation dort zu sehen ist. „Entstellt“, wie der Filmemacher selbst polemisiert. Oder „im Interesse der Zuschauer aktualisiert“, so umschreibt es der zuständige BR-Redakteur Jürgen Bartho. Letzterem ist zumindest die Entscheidung, den „Bayerischen Rebellen“ als Zweiteiler ins Fernsehen zu bringen (2. Teil: 24.11., 0.00 Uhr), kaum anzulasten. 90-minütige Dokumentarfilmplätze im TV sind schließlich rar geworden – oder schon immer gewesen.

In manchen Momenten mutet der Gestaltungswille des BR-Manns aber tatsächlich befremdlich an. Anders gesagt: In manchen Momenten kollidieren die Welt- und Filmanschauungen des Filmemachers Stiglmayr und des Journalisten Bartho. Denn wer, wie Bartho es tut, einen fertigen Film um einige Sequenzen aus einem Gerichtsprozess – immerhin dem ersten, der für Söllner auf bayerischem Boden mit einem Freispruch enden sollte – anreichert, versteht den Filmemacher kaum mehr als Künstler. Und einen Dokumentarfilm allenfalls als Kunstwerk im Zeitalter seiner im Schnittraum beeinflussbaren Reproduktion.

Er bestätigt letztlich einen Trend, den auch Thomas Frickel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, ausgemacht hat: „Es wird immer schwerer, einen als Autorenkino verstandenen Dokumentarfilm ans Fernsehen zu verkaufen. Das Faktum, dass der Dokumentarfilm im Kino reüssiert, ist dort noch nicht ankommen.“

Dass Andreas Stiglmayr seinen Film trotz all dieser vertraglich vereinbarten Unwegsamkeiten an den Bayerischen Rundfunk verkaufte, hat finanzielle Gründe. Und allen Änderungen zum Trotz: „Der bayerische Rebell“ ist ein sehenswerter Film geblieben – auch und gerade in seinen Zwischentönen.