Microblogging für den Ernstfall: Microsofts Katastrophen-Twitter

Bei der aktuellen Schweinegrippe werden wichtige Bürgerinformationen auch über Microblog-Dienste wie Twitter verbreitet. Microsoft testet nun in Seattle ein System, das deutlich darüber hinausgeht.

Launch pünktlich zur Schweinegrippen-Hysterie: Microsofts "Vine". Bild: screenshot vine.net

Derzeit gibt es beim Kurznachrichtendienst Twitter kaum ein heißeres Thema als die Schweinegrippe - allein am Mittwoch beschäftigten sich laut Statistik bis zu 2,6 Prozent aller Botschaften mit der Krankheit, die derzeit weltweit für Ängste sorgt.

Neben den vielen ganz normalen Usern, die sich austauschen, nutzen inzwischen auch Profis den Kanal zur Bürgerinformation: So hat der offizielle Twitter-Kanal der US-Seuchenbehörde CDC, @CDCemergency, bereits über 45.000 User, die ihm regelmäßig folgen. Kommuniziert wird darüber unter anderem, wo man Infos zur Krankheitserkennung findet und was im Schwangerschaftsfall zu tun ist. Auch aktuelle offizielle Fallzahlen werden per Twitter weitergegeben.

Beim Softwarekonzern Microsoft will man die schnellen neuen Internet-Kommunikationskanäle nun nutzen, um ein echtes Notfallsystem aufzusetzen. Dazu wurde im Raum Seattle, der Heimat des Unternehmens, nun das Projekt "Vine" gestartet. Im Normalfall dient es als soziales Netzwerk, mit dem sich Familien, Freunde oder Unternehmensmitarbeiter untereinander vernetzen können, wie man es von Anbietern wie Facebook her kennt.

Ergänzt wird dies durch einen Twitter-artigen direkten Nachrichtendienst, über den man sein Umfeld schnell und unkompliziert erreichen kann. Integriert sind außerdem Terminplaner, Lokalnachrichten und Infos zu wichtigen Ereignissen in der Region. Angesteuert wird all das über ein Widget mit Kartendarstellung.

Kommt es dann tatsächlich zu einer Katastrophe, egal ob Epidemie, Erdbeben oder Terroranschlag, lässt sich Vine umschalten: Dann kommt ein Notfallsystem zum Einsatz. Behörden und Gemeindemitarbeiter können es verwenden, um Nutzer in einem bestimmten Umkreis zu informieren. Mit einer "Check In"-Funktion ist es unter anderem möglich, seinen Nachbarn mitzuteilen, ob man gerade zuhause ist. So könnten Behörden auch ermitteln, wie viele Bürger tatsächlich von einem Desaster betroffen sind.

In einer Demonstration zeigt Microsoft, wie sein Dienst funktionieren soll: Wintersportler Doug wird dabei beinah zum Opfer einer Naturkatastrophe, erfährt dank Vine aber, wohin er seine Familie evakuieren kann. Am Anfang wird der Dienst mit 10.000 Testern starten. Neben Seattle sollen auch ländliche Regionen sowie eine isoliert liegende Inselgemeinde zum Ausprobieren eingeladen werden.

Microsoft ist nicht der einzige Anbieter, der mit Hilfe von Ortsinformationen neue Dienste aufbaut. So hat Google bereits seit Februar sein Angebot "Latitude" laufen, mit dem man seine Freunde über die aktuelle Position auf dem Laufenden halten kann - ausgelesen wird sie mittels Handy-Basisstation oder GPS. Wie stark sich Microsoft auf solche genauen Daten verlassen wird oder ob der Dienst vor allem von Nutzereingaben lebt, war zunächst nicht zu erfahren.

Vine ist zunächst nur für Windows-PCs gedacht, eine Smartphone-Version soll folgen. Erst dann dürfte die Notfallkomponente wirklich greifen: Bei Naturkatastrophen brechen Stromnetze bekanntlich gerne zusammen, Handy-Versorgung ist stabiler. Auch kann das System nur dann greifen, wenn wirklich alle Bürger im Umkreis teilnehmen. Dazu müssen sie Vertrauen zu Microsoft haben, mit ihren Daten vernünftig umzugehen. Ob sich Vine in der Praxis als Katastrophen-Informations-Dienst tatsächlich bewähren wird, ist darum fraglich.

Vielleicht erinnern sich Behörden in Notfällen aber auch an Varianten der Bürgerinformation, die technisch noch wesentlich simpler sind. So kann ein Mobilfunkprovider etwa angehalten werden, im Katastrophenfall an alle Telefone im Umkreis eine einfache SMS mit Angaben zu Evakuierungsmaßnahmen zu versenden. Der Vorteil daran: Das funktioniert auch ganz ohne Internet-Rechner oder Smartphone.

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