Führungskrise nach Klinsmann-Rauswurf: Drei Alphatiere bleiben sitzen

Das Scheitern von Klinsmann offenbart, dass es im Gebilde des FC Bayern mehr als nur einen Riss gibt. Persönliche Konsequenzen müssen die Klubchefs aber nicht fürchten.

Loslassen? Kommt derzeit nicht in Frage: Rumenigge, Hoeness, Hopfner. Bild: ap

MÜNCHEN taz Es ist ein guter Moment, noch einmal auf den Anfang zu schauen - nun, da die Sache zwar vorbei ist, aber noch lang nicht ausgestanden. Es ist der 11. Januar 2008, ein Freitagnachmittag. Der FC Bayern hat ein paar Stunden zuvor bekannt gegeben, dass Jürgen Klinsmann im Sommer neuer Trainer wird. Eine der spektakulärsten Personalien der Bundesligageschichte. Klinsmann und der FC Bayern, das galt bis dahin als eine Beziehung, die von inniger Feindschaft geprägt war - spätestens seit der Spieler Klinsmann den Verein 1997 nach zwei Jahren Dauerstreit verlassen hatte.

Nun hatte er seinen ersten Auftritt als kommender Chefreformer. Hunderte von Journalisten waren gekommen. Karl-Heinz Rummenigge ist Vorstandschef der FC Bayern Fußball AG, er hatte den Kontakt zu Klinsmann aufgenommen. Also durfte er als Erster das Wort ergreifen. Er sprach vom "Anspruchsprofil", das man erarbeitet habe, und davon, dass sich alle Gremien "einstimmig" für diese "kluge, durchdachte Wahl" entschieden hätten.

Am 30. Juni 2008 trat Klinsmann sein Amt an. Zehn Monate später ist er es wieder los. Der größte und erfolgreichste deutsche Fußballklub taumelt ohne klare Perspektive seiner Zukunft entgegen. Es ist immer so, dass der Hauptabteilungsleiter Sport die meiste Kritik abbekommt, wenn es nicht läuft. Aber wenn dieser Mann dann weg ist, stehen seine Vorgesetzten im Fokus. Die Klinsmann-Pleite trifft den FC Bayern in einem Moment, in dem er eigentlich nichts mehr brauchte als Ruhe und Stabilität im öffentlichen Tagesgeschäft. Denn im Hintergrund gilt es, eine neue, langfristig tragfähige Führungsstruktur zu schaffen.

Uli Hoeneß hat schon vor geraumer Zeit erklärt, sich Ende 2009 aus dem operativen Geschäft zurückziehen zu wollen, nach 30 Jahren als Manager des FC Bayern. Hoeneß hat einen erfolgreichen Sportverein zu einem prosperierenden mittelständischen Unternehmen entwickelt. Doch dieses Lebenswerk hat Risse bekommen.

Vor zwei Jahren verpasste der FC Bayern die Champions League. Damit fehlten die garantierten Einnahmen von über 20 Millionen Euro, die es braucht, um den teuren Betrieb profitabel zu halten. In einem Kraftakt gab der Vorstand danach mehr als 70 Millionen Euro allein an Ablösesummen für neue Spieler aus, darunter Franck Ribéry und Luca Toni. Zwar schaffte es der FC Bayern in der Strafexpedition namens Uefa-Pokal bis ins Halbfinale und gewann Meisterschaft und Pokal. Der Gewinn schnurrte indes zusammen von 18,9 Millionen auf 2,1 Millionen Euro. Die Risse waren in den Bilanzen zu sehen.

Die Verpflichtung Klinsmanns und seiner Entourage war der nächste Kraftakt, mit dem der FC Bayern ertüchtigt werden sollte, nicht nur in der Champions League mitzuspielen, sondern sie auch zu gewinnen, wie damals im Jahr 2001. Seitdem sind die Bayern nicht mehr übers Viertelfinale hinausgekommen. Jetzt droht erneut das Verpassen der Champions League. Der FC Bayern ist nicht mehr nur in Europa ein Verein unter vielen. Er ist nun auch in Deutschland ins Hauptfeld zurückgefallen. Risse, wo man hinschaut.

All diese Probleme resultieren auch aus dem Machtgefüge beim FC Bayern. Hoeneß selbst spricht von den "vielen Alphatieren hier oben". Er meint sich, Rummenigge und den Franz Beckenbauer, der qua seiner Ämter zwar operativ wenig zu sagen hat, sich aber trotzdem ständig öffentlich zu Wort meldet. Da auch Hoeneß und Rummenigge ihr Geltungsbewusstsein meist öffentlich ausleben, ergibt sich ein stets wetterwendisches Meinungsklima, in dem ruhiges Arbeiten, wie es sich ein Trainer wünschen würde, kaum möglich ist.

Dabei gibt es durchaus einflussreiche Funktionsträger, die wissen, wie es besser geht. Im Aufsichtsrat sitzen neben Bauchmensch Beckenbauer erfolgreiche Wirtschaftsmänner wie Adidas-Chef Herbert Hainer, Volkswagen-Chef Martin Winterkorn oder Herbert Henzler, ehemaliger Europa-Chef von McKinsey. Aber ihr Einfluss - oder ihr Wille, Einfluss zu nehmen - reicht nicht so weit, dass sie dem Treiben der Riege von ehemaligen Fußballprofis Einhalt gebieten würden. Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Karl Hopfner, der Mann für die Finanzen im dreiköpfigen Vorstand, müssen nicht fürchten, für ihre operativen Entscheidungen persönlich in die Verantwortung genommen zu werden. In den Führungsgremien der FC Bayern AG besteht ein System, das sich selbst stabilisiert.

Vor ein paar Monaten hat Hoeneß erklärt, er könne sich im Extremfall vorstellen, seinen Abschied vom Managerposten zu verschieben. Er allein fällt diese Entscheidung. Und für den Fall, dass er das Amt doch aufgebe, werde er sich deutlich mehr ins Tagesgeschäft einmischen, als Beckenbauer dies tat. Für den oder die Nachfolger - möglicherweise soll Hoeneß Job auf mehrere Personen aufgeteilt werden - würde das die Aufgabe nicht leichter machen. Vielleicht ist der FC Bayern an einem Punkt angekommen, an dem Loslassen das Beste wäre. SEBASTIAN KRASS

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