Kommentar Wahlen in island: Revolution kommt noch

Sozialdemokraten und Links-Grüne haben die Wahlen gewonnen, doch zu einem Neuanfang waren sie bisher nicht fähig. Enttäuschen sie, dann bleibt es nicht beim "Kochtopfaufstand".

Nun haben die IsländerInnen also alles erreicht, wofür sie bei ihren wochenlangen Protesten im Herbst und Winter auf die Straße gegangen waren: Die alte Regierung ist zurückgetreten, verantwortliche Chefs der Zentralbank wurden in die Wüste geschickt, und am Wochenende fanden vorgezogene Neuwahlen statt. Doch wie gehts weiter?

Die unerwartet hohe Wahlbeteiligung demonstriert jedenfalls, dass die IsländerInnen das Vertrauen in ihr politisches System nicht verloren haben. Und das Wahlergebnis zeigt, dass sie glauben, in den Konservativen die Schuldigen für ihre Misere gefunden zu haben: Eine Mehrheit wählte die rot-rot/grüne Koalition. Dass die Sozialdemokraten ihr gerüttelt Maß zum neoliberalen Wahnsinn beigetragen haben, der Island in den Staatsbankrott steuerte, scheint vergessen.

Gleichzeitig zeigt aber das bemerkenswert gute Resultat für die erst vor zwei Monaten angetretene Bürgerbewegung, dass viele IsländerInnen mit der bisherigen Parteienstruktur der Insel nicht mehr einverstanden sind. Doch auch die Bürgerbewegung hat keine Alternativen als Rot-Rot/Grün anzubieten. Zwar schaffte es diese Koalition, Island mit ausländischer Kredithilfe über Wasser zu halten, aber zu einem wirklichen Neuanfang waren sie nicht in der Lage.

Was nun angesichts der eigentlich erst heraufziehenden Krise noch in der Hinterhand bleibt, ist eine EU-Mitgliedschaft. Und der Euro. Doch für den wird Island sich erst in einigen Jahren qualifizieren. Was passiert, wenn die Hoffnungen Richtung Brüssel verblassen? Beim winterlichen "Kochtopfaufstand" kochte der Geysir nur. Er explodierte noch nicht. Die IsländerInnen haben dabei eine wichtige Erfahrung gemacht: welche Macht sie haben. Island hat seine Revolution noch nicht hinter, sondern vor sich.

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Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.

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