Energieausweis im Test: Zu viel Energie für einen Ausweis

Seit Januar soll der Energieausweis bei der Wohnungssuche helfen: Er zeigt, wie gut eine Wohnung gedämmt ist. Doch der taz-Test ergibt: Bis zum Ausweis ist es oft ein Hürdenlauf, viele Wohnungsbaugesellschaften informieren ihre Kunden falsch.

Ein Haus unter der Wärmebildkamera Bild: AP

Ein kurzer Blick über den Brillenrand und die resolute Dame weiß, wie sie den Sonntagsansturm im Vermietungsbüro der Howoge-Gesellschaft in Hohenschönhausen bewältigt: Sie sortiert die Kunden nach der Zahl der gewünschten Zimmer in der Wohnung, zieht die passenden Wohnungsangebot aus einem schwarzen Ordner - und berät dann fünf Leute gleichzeitig. Und zwar schnell und in stereo - nur keine Zeit verlieren. Eines allerdings vergisst die Frau bei ihrem Vermittlungsspurt: den Energieausweis. "Der ist nur für Hausbesitzer und Wohnungskäufer, nicht für Wohnungsmieter", wiegelt sie die Nachfrage hastig ab. "Ist erst ab nächstem Jahr Pflicht."

Das sind gleich zwei falsche Auskünfte auf einmal. Denn schon seit Januar hat jeder Wohnungssuchende das Recht auf Einblick in den Energieausweis - und zwar bei allen Wohnungen. Dank des Ausweises soll er abschätzen können, wie viel Energie die potenzielle Wohnung verbraucht. Und welche Nebenkosten später auf ihn zukommen können.

Der Ausweis soll also dabei helfen, sich für eine gut isolierte Wohnung zu entscheiden. Und das gilt wiederum als Anreiz für die Vermieter, ihre Altbauten ordentlich zu dämmen. Was auch für das Klima wichtig ist. Schließlich ist laut EU-Kommission der Gebäudesektor "der größte Energieverbraucher und Verursacher von CO2-Emissionen in der EU" und verantwortlich für "rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und der Kohlendioxidemissionen". Gerade hier gebe es "ein erhebliches, nicht ausgeschöpftes Potenzial für kostenwirksame Energieeinsparungen": Rund ein Viertel dieser Energie - und damit des CO2-Ausstoßes - könnte bis 2020 eingespart werden. Darum hat die EU über eine Richtlinie den Ausweis zur Pflicht gemacht.

Doch ein Test der taz bei den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften zeigt: Das mit dem Energieausweis klappt oft noch nicht so, wie es sollte. Für den Test gaben wir uns als durchschnittlich informierte Wohnungssuchende aus und fragten nach dem Ausweis. Nur einmal lief alles glatt. In fünf von sechs Fällen fielen die Gesellschaften durch den Test. Wo es eine gute Beratung hätte geben müssen, stießen wir auf Inkompetenz, Ahnungslosigkeit und Desinteresse (siehe Text unten).

Seit Anfang des Jahres hat jeder Wohnungssuchende das Recht, vom Vermieter Einblick in den Energieausweis zu erhalten. Vorher galt das nur für Wohnungen mit bestimmten Baujahren. Der Ausweis soll dem Mieter dabei helfen, den Energieverbrauch von Wohnungen zu vergleichen. Dazu ist der entsprechende Kennwert auf einer von grün bis rot reichenden Skala aufgetragen. Es gibt zwei Arten, den Ausweis zu erstellen. Für Gebäude mit fünf oder mehr Wohnungen genügt ein Verbrauchsausweis. Dieser gibt Auskunft über den tatsächlichen Energieverbrauch des Vormieters. Für Gebäude bis vier Wohnungen muss ein Bedarfsausweis erstellt werden. Er liefert Angaben zur energetischen Bauweise des Hauses. AKU

Zu der Falschberatung in Hohenschönhausen sagt Howoge-Sprecherin Angela Reute: "Es ist möglich, dass wir unsere Wohnungspräsentatoren nicht stark genug für das Thema sensibilisiert haben." Doch das Problem liegt nicht nur bei einzelnen Mitarbeitern, sondern auch bei verbraucherfeindlichen Vorgaben aus der Zentrale. Etwa bei der Gewobag. Die weigert sich, den Wohnungssuchenden den Ausweis per E-Mail oder Fax zu übermitteln, einzig ein Blick darauf ist möglich. Sprecher Volker Hartig: "Wir halten uns hier eng an den Gesetzestext." Und da heißt es, der Ausweis sei "zugänglich zu machen". Dass das in einer besonders kundenfreundlichen Form geschieht, schreibt die Verordnung nicht ausdrücklich vor. Die Wohnungssuchenden müssen bei der Howoge persönlich in die Verwaltung gehen. Dort bekommen sie keine Kopie des Ausweises, sondern müssen sich die Daten abschreiben.

Auch in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist das Problem bekannt: "Die Mieter erwarten teilweise, dass ihnen der Energieausweis bei der Besichtigung ausgehändigt wird", sagte eine Mitarbeiterin der Bauaufsichtsabteilung jüngst im Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Doch die Rechtslage sei eindeutig: "Dazu sind die Vermieter nicht verpflichtet."

Zwar wollte die Bundesregierung ursprünglich das Recht auf eine Ausweiskopie in der Verordnung festschreiben. Doch das strich der Bundesrat im Juni 2007 - auch mit den Stimmen des Landes Berlin. Richard Meng, Sprecher des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD): "Es soll der Privatautonomie überlassen bleiben, ob eine Kopie ausgehändigt wird oder nicht." Mieter und Vermieter sollen das also direkt miteinander aushandeln. Doch dabei gibt es keine Waffengleichheit. Schließlich will der Wohnungssuchende bei der Bewerbung um eine Wohnung einen guten Eindruck hinterlassen und nicht mit Forderungen nach einer Ausweiskopie als Querulant auftreten. Der Berliner Mieterverein hält den Umstand, dass die Vermieter dem Wohnungssuchenden auf dem Weg zum Ausweis so viele Steine in den Weg legen dürfen, für "einen der Mängel des Systems", so der stellvertretende Geschäftsführer Rainer Wild.

Laut dem SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg sollen künftig zumindest die städtischen Wohnungsbaugesellschaften dazu verpflichtet werden, den Energieausweis künftig in den Hausinfokästen auszuhängen. Und die EU-Kommission arbeitet an einer Verschärfung der entsprechenden Richtlinie. Denn so wie Deutschland das umgesetzt hat, "wird der volle Zweck des Energieausweises nicht erreicht", sagt Katrin Abele, Sprecherin der Vertretung der EU-Kommission in Berlin. In Zukunft soll die entscheidende Kennzahl aus dem Ausweis dann bereits in allen Wohnungsanzeigen genannt werden. Die Mieter sollen spätestens bei Unterzeichnung des Mietvertrags auch eine Kopie des Ausweises bekommen.

Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land dagegen will nicht auf eine gesetzliche Regelung warten. Sie setzt schon jetzt auf Transparenz und ein unbürokratisches Verfahren. Bei unserem Test erhalten wir nach nur einem Anruf den Energieausweis schnell und völlig unkompliziert per E-Mail. Geschäftsführer Michael Niestroj: "Jeder Verwaltungsmitarbeiter hat auf die Energieausweise Zugriff und kann sie bei Bedarf versenden." Auch die Howoge will künftig freiwillig einen Großteil der Ausweise in den Infokästen im Hausflur ausstellen. Dort kann sie dann jeder Wohnungssuchende bei der Besichtigung sehen. So leicht kann also Verbraucherinformation und Umweltschutz gehen - wenn man das denn will.

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