Nato-Gipfel: Eisschichten abtauen

Moskau will eine Partnerschaft mit den USA auf Augenhöhe erreichen - und eine Nato-Erweiterung nach Osten verhindern.

Freundliche Atmosphäre lässt hoffen: Moskau und die USA wollen einen Neuanfang in den Beziehungen der beiden Staaten festlegen. Bild: dpa

MOSKAU taz Eine warme Brise wehte über dem ersten Treffen des amerikanischen Präsidenten Barack Obama mit seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedjew in London. Um die Eisschichten in den bilateralen Beziehungen abzutauen, reicht jedoch kein laues Lüftchen. Nur ein Klimawandel kann da etwas bewirken. Die freundliche Atmosphäre lässt aber hoffen: "Wir wollen über den Geist des Kalten Kriegs hinausgehen und einen Neuanfang in den Beziehungen unserer beiden Staaten festlegen", steht im Abschlusskommuniqué.

Mit der Vereinbarung, Verhandlungen über den im Dezember auslaufenden Vertrag Start II aufzunehmen, der die Reduzierung strategischer Nuklearwaffen regelt, wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Die weitere Reduzierung strategischer Angriffswaffen hat für Moskau zentrale Bedeutung. Doch dürfte bis Jahresende ein neues Abkommen noch nicht unterschriftsreif sein. Zu viele Fragen sind zu klären: Wie hält es Washington mit dem europäischen Raketenabwehrsystem? Fallen die hochpräzisen Sprengköpfe der seegestützten Trident-Raketen nach US-Lesart unter die Kategorie der strategischen Waffen? Außerdem möchte Moskau neben Sprengköpfen auch die strategischen Trägersysteme begrenzen.

Dies deckt sich mit russischen Interessen. Moskau geht es nicht so sehr um Details. Es möchte vielmehr als gleichberechtigter Partner mit Washington wieder an einem Tisch sitzen. Die atomare Abschreckungskapazität ist der einzige Bereich, in dem die ehemalige Supermacht den USA ebenbürtig ist.

Für Medwedjew war die Zusage daher ein großer Erfolg. Da atomare Schlagkraft Bestandteil des russischen Großmacht- und Selbstwertgefühls ist, dürfte sich Moskau nicht sonderlich sputen. Zumal weder Kreml noch Militärs von einer realen Bedrohung der Vereinigten Staaten und Nato ausgehen. In einem Beitrag für die Moscow Times formuliert der russische Nato-Gesandte Dmitri Rogosin deutlich, dass Moskau Wert lege auf "einen Platz in der Frontreihe der internationalen Beziehungen". Zwar will man eine strategische Partnerschaft mit dem Westen eingehen, doch darf dieser Russland keine Beschränkungen auferlegen. Man "werde nicht mit dem Hut in der Hand auf die Nato zugehen".

Auch die jüngsten russischen Vorstellungen über einen "europäischen Sicherheitsvertrag" folgen diesem Muster. Rogosin fordert Europa auf, "endlich aufzuhören, wie ein besetzter Kontinent zu handeln und eigenen politischen Willen zu demonstrieren". In Europa trifft dies bei einigen auf offene Ohren. Doch steckt hinter dem Konzept lediglich eine Neuauflage der Einflusssphärenpolitik von Jalta: Europäische Union und Nato stehen im Westen, im Osten Russland und die Organisation des Kollektiven Sicherheitsvertrages mit den ehemaligen Sowjetsatelliten. Dazwischen liegt ein Cordon sanitaire, der neben Finnland und Schweden die Ukraine, Moldawien, Georgien und Aserbaidschan umfasst. Damit wäre die Nato-Erweiterung endgültig gestoppt.

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