Kommentar Ermittlungspanne Heilbronn: Blindes Vertrauen in die Technik

Die Ermittlungspanne beim "Phantom von Heilbronn" zeigt: DNA-Spuren sind lange nicht so verlässlich wie es scheint. Die Polizei darf sich nicht auf der Sicherheit der Methode ausruhen.

Der genetische Fingerabdruck ist eine ziemlich effiziente Polizeimethode. Mit sehr großer Sicherheit lässt sich anhand einer Zellspur am Tatort feststellen, ob sie von einem Verdächtigen stammt. Oft können sogar lange zurückliegende Verbrechen aufgeklärt werden, und mancher Verurteilte konnte seine Unschuld beweisen.

Doch die vermeintliche Sicherheit der DNA-Tests scheint bei der Polizei nach dem Heilbronner Polizisten-Mord zum Ausschalten des kritischen Sachverstandes geführt zu haben. Wenn die immer gleiche DNA-Spur einer "weiblichen unbekannten Person" in völlig unterschiedlichen Milieus auftaucht - mal bei Islamisten im Saarland, dann in der Freiburger Schwulenszene und in zig anderen Zusammenhängen -, dann ist die Annahme schon sehr gewagt, dass es sich um ein und dieselbe Person handeln muss.

Im Nachhinein klingt es jedenfalls ziemlich logisch und naheliegend, dass verunreinigtes Labormaterial das kriminalistische Rätsel verursacht hat. In den Medien hat diese Version bisher zwar keine Rolle gespielt. Doch natürlich nahm jeder Beobachter an, die Polizei hätte solche Fehlerquellen wirksam ausgeschlossen, bevor sie das "Phantom" zur meistgesuchten Person Deutschlands ausruft.

Tröstlich ist, dass die Polizeilabore mit dieser Schlamperei keine Unschuldigen gefährden konnten. Selbst wenn die Frau, die wohl bei der Herstellung der Wattestäbchen für die Verunreinigung sorgte, durch einen Zufall ermittelt worden wäre, hätte ihr nicht viel passieren können. Bei so vielen unterschiedlichen Tatorten hätte sie für jeden zweiten ein Alibi und bei wohl keiner Tat ein Motiv gehabt. Ärgerlich ist, wie viele Ressourcen die Polizei vergeudete, bis sie den Fehler bemerkte.

Zu Recht fordert der Bundesgerichtshof schon seit Beginn der DNA-Analyse, dass niemand nur aufgrund eines DNA-Tests verurteilt werden darf. Die Polizei soll sich nicht auf der Sicherheit der Methode ausruhen. Es könnten ja zum Beispiel im Labor die Proben von zwei Verdächtigen vertauscht werden. Die peinliche Fahndung nach dem "Phantom" zeigt überdeutlich, dass keine Technik - und erst recht nicht die Polizei - blindes Vertrauen verdient hat.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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