Ruandas frühere Armee gab Startschuss zum Völkermord

GENOZID Untersuchung zum Mord an Ruandas Präsidenten am 6. April 1994 belastet Hutu-Militär

Die Rakete wurde aus einer Armeekaserne am Flughafen Kigali abgefeuert

BERLIN taz | Das Attentat auf Ruandas früheren Präsidenten Juvénal Habyarimana, das am 6. April 1994 den Völkermord an über 800.000 Tutsi auslöste, wurde von der damaligen Hutu-Armee des Landes verübt. Zu diesem Schluss kommt ein unveröffentlichter Untersuchungsbericht im Auftrag der heutigen ruandischen Regierung, dessen Zusammenfassung der taz vorliegt. Damit beziehen die ruandischen Behörden Stellung gegen Verschwörungstheorien, wonach Ruandas damalige Tutsi-Rebellen das Attentat verübt und mithin auch den Völkermord zu verantworten hätten.

Am Abend des 6. April 1994 war in der Nähe des Flughafen der ruandischen Hauptstadt Kigali ein Flugzeug des Typs Falcon-50 abgestürzt, in dem der damalige Hutu-Präsident Juvénal Habyarimana von einem Gipfeltreffen zurückkehrte. Wenig später rückten Präsidialgarde und Armee in Kigali aus und begannen mit der gezielten Ermordung von Oppositionellen und Angehörigen der Tutsi-Minderheit. Das Militär ergriff die Macht und die Pogrome weiteten sich zum Völkermord aus.

Die Blackbox des Flugzeugs, die Aufschluss über den Hergang des Absturzes hätte geben können, wurde von französischen Spezialkräften geborgen und ist bis heute verschollen. 2006 erließ der französische Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière jedoch Haftbefehl gegen die RPF-Führung, darunter Ruandas heutigen Präsidenten Paul Kagame, und warf ihr vor, das Flugzeug abgeschossen zu haben. Daraufhin brach Ruanda seine Beziehungen zu Frankreich ab und gab eine eigene Untersuchung in Auftrag. Die Aussagen von Exilruandern, auf die sich Bruguières Haftbefehl stützte, wurden derweil zurückgezogen.

Der Untersuchungsbericht stellt nun klar, dass die Rakete, mit der die Präsidentenmaschine vom Himmel geholt wurde, aus der Armeekaserne Kanombe am Flughafen Kigali oder aus deren Nachbarschaft abgefeuert wurde. Dies hätten auch die ersten Augenzeugen der damals in Ruanda stationierten UN-Mission gemeldet. Die Armee habe den UN-Soldaten ab 5. April den Zugang zur Kaserne verwehrt und die Präsidialgarde in das Gebiet geschickt. Raketen des zum Abschuss verwendeten Typs habe Ruandas Armee aus Frankreich erhalten und teils im benachbarten Zaire gelagert. Mit dem Attentat hätten Hutu-Extremisten darauf reagiert, dass Präsident Habyarimana nach langem Zögern kurz vorher doch der Umsetzung eines Machtteilungsabkommens mit den Tutsi-Rebellen zugestimmt hatte.

DOMINIC JOHNSON