Kolumne Fernsehen: Wenn dein Nam dein Feind wird

Warum Procter & Gamble nicht um Johanna König trauert, sondern um eine Werbefigur

So ganz neu ist der Einfall ja nicht, große Todesanzeigen in auflagenstarken Blättern als vergleichsweise preisgünstigen Anzeigenplatz zu nutzen. Im Regelfall rühmen die Firmen dann allerdings nicht ausschließlich sich selbst, sondern auch das "Pflichtbewusstsein" oder die "Hilfsbereitschaft" der Verstorbenen, würdigen also die Persönlichkeiten derer, die mit ihrem Tod freundlicherweise die gute Gelegenheit zur Eigenwerbung boten.

Procter & Gamble hat sich das gespart. "Wir trauern um unsere Klementine, die plötzlich und unerwartet von uns gegangen ist", war kürzlich in der FAZ zu lesen, und darunter stand:

"In ihrer unvergessenen Rolle, in der sie unser Waschmittel Ariel empfahl, hatte Johanna König bereits zu Lebzeiten unsterblichen Ruhm als eine der bekanntesten und beliebtesten Markenbotschafterinnen im deutschen Fernsehen erlangt."

Da kommt doch jemand mal gleich zur Sache. Das ist modern, das ist präzise. Mit lästigen Kleinigkeiten wie dem bürgerlichen Namen im Fettgedruckten hält sich die unterzeichnende Geschäftsleitung bei der Todesanzeige auch nicht auf. Wer die Bilanz eines Lebens mit dem Begriff der Markenbotschafterin für gut beschrieben hält, der handelt nur konsequent, wenn er einzig den Einfall einer Werbeagentur prominent setzen lässt: Klementine.

"Was ist ein Name?", fragte schon Shakespeare. "Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften", ließ er Julia sagen, und sie durfte Romeo versichern: "Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst Du selbst, und wärst Du auch kein Montague."

Nostalgisch könnte man werden. Wenn es nämlich in diesen Tagen einen Grund gibt, über Namen und deren Bedeutung zu reden, dann geht es selten um lieblichen Duft. Sondern meistens stinkt es irgendwo. Man muss gar nicht daran erinnern, wie die Rechte in den USA während des Wahlkampfs versucht hat, Barack Obama mit seinem zweiten Vornamen - Hussein - zu diskreditieren und ihn in die Nähe islamischer Fundamentalisten und Terroristen zu rücken.

Vom österreichischen Inzest-Prozess bis zu den Ereignissen im schwäbischen Winnenden gibt es auch im deutschsprachigen Raum derzeit viel Anschauungsmaterial.

Eine Österreicherin, die von ihrem Vater 24 Jahre im Keller seines Hauses gefangen gehalten worden war und in dieser Zeit sieben Kinder zur Welt brachte, wehrt sich mittlerweile auf juristischem Weg gegen die Nennung ihres Vornamens in den Medien. Die Abkürzung ihres Nachnamens würde in diesem Falle ja nicht ausreichen, da ihr Vater als Angeklagter überall mit vollem Namen genannt wird. Der Wunsch der Frau mutet zunächst seltsam an, lebt sie doch dem Vernehmen nach mit neuer Identität an unbekanntem Ort.

Auf den zweiten Blick erscheint das Vorgehen verständlich und richtig, und zwar unabhängig davon, welche Motive die Frau tatsächlich dafür hat. Mit nichts anderem werden wir so nachhaltig und vollständig identifiziert wie mit unserem Namen, und mit nichts anderem identifizieren wir uns selbst so sehr. Wird ein Name monate-oder gar jahrelang öffentlich ausschließlich und immer wieder im Zusammenhang mit einer Opferrolle genannt, dann wird die gesamte Existenz der Person auf diese Rolle reduziert. Auch das ist eine Missachtung der Menschenwürde.

Aber wenn jemand nun nicht Opfer, sondern Täter war, so wie der Todesschütze von Winnenden? Was kann dann dagegen sprechen, den vollen Namen zu nennen?

Gegenfrage: Was spricht dafür? Dagegen spricht ja zumindest, dass Angehörige, wie die unbeteiligte Schwester, nun selbst an fremden Orten fürchten müssen, nach ihren möglichen Verwandtschaftsverhältnissen gefragt zu werden. Das allein reicht doch schon.

Klementine, Obama, eine 42-jährige Frau, ein 17-jähriger Junge: Nichts verbindet diese vier Menschen miteinander - außer der missbräuchlichen Nennung von Namen, echten und falschen, im Zusammenhang mit ihnen. Und die Gefahr, dass dadurch vermeidbares, zusätzliches Leid erzeugt wird.

Wäre ich eine Angehörige von Johanna König: Die Todesanzeige von Procter & Gamble würde mich einfach nur anwidern. Rosenduft? Wirklich nicht.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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