Kolumne Idole: Ein Tritt in den Hintern

Warum Calamity Jane der bessere Lucky Luke ist - und was die Frauenrechtlerinnen dazu sagen.

Natürlich kann man für eine Comicfigur schwärmen. Ich war einst schwer verliebt in Lucky Luke. Heute kann ich diese Leidenschaft nicht mehr nachvollziehen, ist der Cowboy doch vor allem eines: ein bisschen langweilig. Er raucht und trinkt nicht (mehr) und befördert dienstbeflissen selbst den tumben Averell Dalton ins Kittchen. Okay, er ist uneitel, mutig und bindungsunfähig - aber viel interessanter als der Streber-Cowboy ist doch die priemende Dame, die Luke das Leben rettet, als er beim Baden von einer Gruppe Apachen überrascht wird: Calamity Jane.

Martha Jane Cannary, genannt Calamity Jane (etwa: Katastrophen-Jane), ist wohl eine der schillerndsten Frauen des Wilden Westens. Sie arbeitete als Postkutschenfahrerin, Scout der US-Armee und Krankenschwester und spielte regelmäßig um Geld. Nicht bewiesen ist eine Tätigkeit als Prostituierte. Calamity Jane trug meist Männerkleider und trat in den Wild-West-Shows auf, mit denen Buffalo Bill durch US-amerikanische Städte und bis nach Europa tourte.

Ob sie tatsächlich eine Liebesaffäre mit dem Westernhelden Wild Bill Hickok hatte, ist unklar. Sie behauptete es zeitlebens und wurde auf ihren Wunsch neben ihm, auf dem Friedhof in Deadwood beigesetzt. Calamity Jane war die letzten Jahre ihres Lebens dem Alkohol verfallen und starb völlig verarmt schon mit 51 Jahren.

Schon zu Lebzeiten (1852-1903) war sie die Heldin zahlreicher Groschenromane, viele Filme behandeln ihr Leben. 1953 spielt eine singende Doris Day die Revolverheldin, stets schmutzverschmiert und in einer rußigen Hütte hausend. Doch bald entdeckt sie die Freuden des Frauseins: sauberes Gesicht, hübsches Kleid, geputztes Haus mit frischem Farbanstrich und Vorhängen. Uah. Gngngng. Vierzig Jahre später verkörpert Anjelica Huston die Calamity erwartungsgemäß um einiges cooler. Der Film "Buffalo Girls" ist gespickt mit Zitaten aus den Briefen der Westernheldin an ihre Tochter Janey, die Calamity Jane zur Adoption freigegeben hatte.

Diese Briefe hat es tatsächlich gegeben, sie wurden in ihrem Nachlass gefunden und später als Buch herausgegeben. "Wenn es etwas gibt, was die Welt hasst, so ist es eine Frau, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmert", heißt es darin. Und weiter: "Manchmal überlege ich, ob ich mich nicht wieder verheiraten soll, aber dann macht mich der Gedanke, an den Hemdzipfel eines Mannes angebunden zu sein, ganz krank."

Das ist schon ziemlich lässig. Bedauernswert ist allerdings die Facettenlosigkeit, mit der Calamity Jane dargestellt wird. Als Mannweib, das am Versuch, eine "echte Frau" zu sein, scheitern muss.

Im Lucky-Luke-Comic lässt Calamity stets die Plätzchen für die Damen der Anstandsliga anbrennen, Doris Days Calamity landet mitsamt dem schönen Kleid im Matsch. Doch liest man die Briefe der Calamity Jane, entsteht das Bild einer eigensinnigen und einsamen, aber auch ehrlichen und empathischen Frau. Eine, die auch kochen konnte - was in sämtlichen Darstellungen gern verschwiegen wird. Vielleicht weil das angeblich nicht zu einem herben Flintenweib passt? Calamity Jane ist doch gerade deshalb so interessant, weil sie all diese Normen sprengt.

Ihre Beziehung zu ihren Zeitgenossinnen war allerdings eher schwierig. "Die Frauen, die über mich herziehen, haben ihre Bastarde und ihre Hochzeiten in letzter Minute. Ich habe eine Anzahl von ihnen während der Geburt betreut, die einzige Bezahlung war ein Tritt in den Hintern", heißt es da.

Interessant ist, dass zu Calamity Janes Lebzeiten zwar die amerikanische Frauenbewegung ihre Anfänge nahm - das Wahlrecht für Frauen wurde im Territorium Wyoming 1869 eingeführt -, diese zu Beginn aber höchst puritanisch war und so gar nichts mit dem Freigeist einer Calamity anfangen konnte. Bald schon gab es die ersten weiblichen Geschworenen, die dem Teufel Alkohol, dem Glücksspiel und der Prostitution dem Kampf erklärten. Wahrscheinlich hätten die sich mit Lucky Luke besser verstanden.

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