Abfuhr für Senkung der Mehrwertsteuer: Merkel sitzt die Union aus

CSU und Wirtschaftsliberale aus der CDU - viele zerren an Merkel. Doch sie macht lieber nichts, als etwas Falsches. Beim Spitzentreffen mit Wirtschaftsfunktionären erhält sie Lob.

Lobhudelei in München: Angela Merkel flankiert von Handwerkspräsident Otto Kentzler (l.) und Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Bild: dpa

"Die Mehrwertsteuer ist ein weites Feld", sagt Angela Merkel. Die Kanzlerin sitzt, umringt von fünf Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft in schwarzen Anzügen, in München und beantwortet Fragen von Journalisten. Bis zur Wahl, sagt Merkel, wird es keine Mehrwertsteuersenkung für einzelne Branchen geben. "Wir haben einen Haushalt verabschiedet, der gilt."

Das ist eine Abfuhr für CSU-Chef Seehofer, der eine Mehrwertsteuersenkung für Kneipiers und Hotelbesitzer will - wohl mit Blick auf die Europawahlen, bei denen die CSU unter fünf Prozent rutschen kann. Es ist einer von vielen Querschüssen aus Bayern gegen Merkel. Aber diesmal hilft Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt der Kanzlerin und will sowieso lieber eine große Steuerreform.

Wirtschaft und Kanzlerin demonstrieren Einigkeit. Das ist der Zweck dieses Treffens. Merkel lobt Hundt, Hundt lobt Merkel. Die Kanzlerin kann nette Worte der Wirtschaftsfunktionäre brauchen. Denn in der Union steht sie unter Beschuss der Wirtschaftsliberalen, denen ihr Kurs nicht passt. Merkels aus der Not geborener Keynesianismus ist ihnen ein Gräuel. Die mögliche Übernahme der bankrotten Bank Hypo Real Estate halten sie für einen Exzess des Staates, Unterstützung für Opel für einen Sündenfall. Als FDP-Chef Guido Westerwelle beim CDU-Wirtschaftsrat vor der "Staatswirtschaft" warnte, wurde er gefeiert.

Merkel versucht am Freitag in München beruhigende Botschaften zu senden: keine schnellen Steuersenkungen, aber auch nicht mehr Ökobelastungen für die Wirtschaft. Und kein drittes Konjunkturprogramm, das - horrible dictu - noch mehr Staat und Schulden bedeuten würde.

Merkel will zeigen, dass sie mit Weitblick und ruhiger Hand regiert. Doch es ist kein Zufall, dass ihre Kernbotschaften allesamt negativ sind. Sie sagen, was Merkel nicht will. Oder sie sind, wie bei Opel, ziemlich vage. Einerseits, sagt Merkel, müsse der Staat bei der Entflechtung von GM und Opel helfen und eine "positive Fortführungsprognose" ermöglichen, andererseits müssten für Opel und Mittelständler die gleichen Kriterien gelten. Das lässt viel offen. Zu viel. Denn immer mehr wollen wissen: Was will Merkel?

Doch die Kanzlerin weigert sich, Position zu beziehen und, wie es Günther Oettinger fordert, zu zeigen "was "CDU pur" ist. Sie will die Kritik aussitzen. Machttaktisch ist das plausibel. Denn der Druck kommt aus mehreren Richtungen. Wirtschaftsliberale wie Oettinger wollen, dass die Union bei einem Symbolthema wie Opel klarmacht, dass sie eine antietatistische Partei des freien Marktes ist. Jürgen Rüttgers, Roland Koch und Dieter Althaus, in deren Bundesländern Opel-Werke geschlossen würden, sehen das anders. Merkel bleibt dabei, wie immer, in der Mitte. Ihr "einerseits, andererseits" klingt wenig überzeugend, doch machttaktisch ist es nicht ungeschickt.

Auch dass Merkel sich weigert, Politik "CDU pur" zu vertreten, ist durchaus rational. Was "CDU pur" eigentlich ist, darüber haben sich schon viele den Kopf zerbrochen. Auch bei Adenauer und Kohl waren ordnungspolitische Reinheitsgebote eher etwas für Sonntagsreden. Außerdem hat Merkel erfahren, was passiert, wenn sich die Union auf marktwirtschaftliche Prinzipienfestigkeit verengt. Sie selbst hat die neoliberale Wende der CDU auf dem Leipziger Parteitag 2003 initiiert - und erlebt, wie so der sicher geglaubte Wahlsieg 2005 verspielt wurde.

Merkel steckt in der Bredouille. Wenn sie dem Druck der Wirtschaftsliberalen nachgibt, liefert sie der SPD Wahlkampfmunition. Macht sie weiter wie bisher, wird der Unmut in der Union wachsen. Beheben ließe sich das Problem mit Machtteilung. So wie Gerhard Schröder nach der SPD-Kritik an der Agenda 2010 den Parteivorsitz an Müntefering abgab, könnte sie einen Parteichef installieren, der - kulturell konservativer, wirtschaftspolitisch liberaler - die Union ruhigstellt. Theoretisch. Praktisch geht das ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl nicht.

In München kommt Merkel der Wirtschaftslobby an einem Punkt entgegen. Sie will, zur Freude von Hundt & Co, Korrekturen an der Unternehmensteuerreform, die den Firmen nutzen. Dafür will sie sich im Kabinett einsetzen.

Die SPD ist allerdings dagegen.

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