Kommentar Ermittlerpanne Amoklauf: Erst hereingefallen, dann gelogen

Auch die Polizei kann mal auf eine Fälschung hereinfallen. Aber zur Verteidigung einer dann wackeligen Behauptung sollten die Ermittler nicht anfangen, Lügen zu verbreiten.

Shit happens. Die angebliche Amokankündigung von Tim K. hat sich offenkundig als Fake entpuppt. Das eigentliche Problem ist dabei aber weniger, dass die Polizei auf eine solche Fälschung hereingefallen ist - das kann mal passieren. Kaum zu entschuldigen ist jedoch, dass Innenminister Heribert Rech (CDU) zur Verteidigung seiner Polizisten eine Lüge verbreitet hat.

Natürlich muss man Hinweisen auf eine Amokankündigung nachgehen, insbesondere wenn die Meldung nicht anonym eingeht, sondern von einem offen auftretenden Familienvater kommt. Der Mann sagte, sein Sohn hätte die Ankündigung nachts im Internet gelesen, jedoch nicht ernst genommen. Klar ist, dass die Polizei solche Hinweise überprüfen muss.

Bedenklich wurde das Verhalten der Ermittler aber, als sie die vermeintliche Amokankündigung in einer Pressekonferenz als echt präsentierten, obwohl der Betreiber des entsprechenden Internet-Imageboards bereits von einer Fälschung sprach. Da es nach Amokläufen häufig zu derartigen "Scherzen" kommt, wäre hier deutlich mehr Vorsicht angebracht gewesen.

Doch dann versuchte der Innenminister, kritische Nachfrager ruhigzustellen, und behauptete, auch auf dem beschlagnahmten Rechner von Tim K. lasse sich der Forumseintrag nachvollziehen. Das war aber einfach falsch - wie die Polizei Stunden später mitteilte.

Zwar verweist die Polizei jetzt auf die theoretische Möglichkeit, dass Tim K. die ominöse Ankündigung auch mit einem anderen Computer hätte schreiben können. Mag sein. Das ändert aber nichts daran, dass sich auf dem beschlagnahmten Rechner keine entsprechenden Hinweise fanden - obwohl Minister Rech und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft genau das behauptet hatten.

Man kann der baden-württembergischen Polizei zugute halten, dass sie die Lüge am Donnerstag nach ein paar Stunden korrigierte. Auch hatte die Falschauskunft keine irreparablen Folgen; Tim K. ist ja tot, und sonst wurde nach niemandem gefahndet. Es bleibt aber der bestürzende Eindruck, dass der Sicherheitsapparat, wenn er einen Fehler gemacht hat, erst einmal frei zu fabulieren beginnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.