Cebit in der Krise: Gefühltes Schrumpfen in Hannover

Die Cebit spürt die Krise: Deutlich weniger Aussteller sind gekommen, die Hallen blieben leer beim Auftakt. Schon schielt die Hightech-Branche auf Staatshilfen, während die Gewerkschaften um Arbeitsplätze bangen.

Nicht mal der geballte Glamour von Arnie und Angie kann darüber hinwegtäuschen: Die Cebit ist in der Krise. Bild: AP

Die Party ist vorbei, die Schrumpfkur spürbar: Während es sich in früheren Jahren auf allen Wegen zur größten Hightech-Messe der Welt staute, ist es an diesem Eröffnungsmorgen geräumig in der Tram zur Cebit in Hannover. Die Polizei meldet "absolut störungsfreien Verkehr" auf dem Messeschnellweg, Parkplätze gibt es genug.

Jugendliche können sich heute zwar eher vorstellen, ohne Partner als ohne Handy zu leben: Die einstige Boombranche taumelt dennoch in die Krise. Das Branchenfenster Cebit, das am Dienstag seinen ersten Publikumstag erlebte, leidet mit. 1.500 Firmen weniger als im vergangenen Jahr sind gekommen.

Krise und Aufbruch. "Wir sind nicht wegen Staatshilfe, sondern wegen Effizienzsteigerung hier", betont SAP-Chef Henning Kagermann, als der Tross mit Kanzlerin Angela Merkel und Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger eintrifft. 14 Stände absolvieren die Polit-Granden im Eiltempo, Merkel schwärmt von "Einsparpotenzialen" durch die IT-Branche, Schwarzenegger bringt Glamour auf die Cebit, Aufträge allerdings nicht. Abseits vom Weg der Kanzlerin ist es leerer: Viele Hallenteile sind mit Tüchern verhängt.

Und nicht nur Opel. Der Branchenverband VDE mahnte gestern auch den Erhalt deutscher Chipfabriken an. Dazu sei die Politik in der Pflicht, sagt Präsidiumsmitglied Ingo Wolff mit Blick auf den Speicherchip-Hersteller Qimonda, der in Dresden ums Überleben ringt.

Die Branche mit ihren in Deutschland 800.000 Jobs und einem Jahresumsatz von etwa 133 Milliarden Euro wackelt. IG Metall und Ver.di legten am Dienstag ein Sechs-Punkte-Papier zur Beschäftigungssicherung vor. Die Betriebe sollten Kurzarbeit nutzen und mit Qualifizierung verbinden, um Arbeitsplatzverluste zu vermeiden. Leiharbeiter müssten besser geschützt, Weiterbildung verstärkt werden. "Wenn IT-Unternehmen ihre Beschäftigten nicht mit Kurzarbeit und flexibler Arbeitszeit an Bord halten, droht bald ein noch größerer Mangel an qualifizierten IT-Fachleuten", sagen die Gewerkschaften. Das sieht auch die Wirtschaft so: "Kurzfristig erlebt der eine oder andere Arbeitgeber eine Linderung, langfristig haben wir aber weiterhin ein gravierendes Problem", sagt der Co-Vorsitzende von SAP, Léo Apotheker. Fachkräfte mit technischem und betriebswirtschaftlichem Know- how würden weiter händeringend gesucht. Gleichzeitig rechtfertigte er den Abbau von 3.000 Arbeitsplätzen bei SAP.

Die Deutschland-Tochter des US-Computerkonzerns IBM will dagegen aus der Krise Kapital schlagen. Dafür gebe es nun eine "Abwrackprämie" für ältere Hardware, sagte Deutschlandchef Martin Jetter. IBM setze zudem auf anlaufende Staatshilfen. Bei vielen Konjunkturprogrammen weltweit kämen Billionen zusammen. "Wir werden auch in diesem Jahr neue Leute einstellen", sagt Jetter, "Stellenstreichungen oder Kurzarbeit waren in den vergangenen Monaten kein Thema für uns."

Natürlich gibt es auch Trends auf der Cebit: Die Veranstalter schwärmen von der total vernetzten "Webciety", Netbooks genannten Mini-Laptops oder Handys, die auch als Navigationssysteme funktionieren. Zudem wird der neue Übertragungsstandard LTE präsentiert, der 85-mal schneller als das Internet mit DSL sein soll. Außerdem en vogue: Cloud-Computing, also IT-Dienste und Software aus dem Netz. Und: Green IT. Durch klimaschonende Systeme ließen sich "30 bis 50 Prozent Strom sparen", sagte die Kanzlerin. Es werde zu "oft unterschätzt", dass Computer zu einem der größten Stromfresser überhaupt geworden seien.

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