"Aktionskonferenz Nordsee" vor dem Aus: Meeresschützer sind bedroht

Verliert die die Nordsee eine streitbare Lobby? Die "Aktionskonferenz Nordsee" feiert im März zwar noch ihr 25-jähriges Bestehen, ihr Büro in Bremen aber löst sie auf. Die einstige AKN- Zeitschrift "Waterkant" will alleine überleben.

Ruhmreiche Zeiten: Die 1. Aktionskonferenz Nordsee belagert eine Umweltminister-Tagung in Bremen. Bild: AKN

Auf die "Aktionskonferenz Nordsee" war immer Verlass: Ob die Umweltforscher vom Alfred Wegner-Institut entgegen internationaler Abmachungen das Meer mit Eisenoxyd "düngen" wollen in der Hoffnung, dass es CO2 http://onlinetaz.hal.taz.de/?id=aus der Atmosphäre aufnimmt; ob die Bundesrepublik klammheimlich Munition in der Nordsee versenkt; ob Schiffe mit ihren Dieselmotoren die Luft in den Hafenstädten verschmutzen - das Netzwerk der AKN verfügte über den Sachverstand für eine Protesterklärung. Und die AKN hatte die Unabhängigkeit, diese auch scharf zu formulieren.

Vielleicht ist es dieser Wille zur Unabhängigkeit, der ihr nun das Genick bricht. Schon Ende des Jahres beschloss der Verein, seine Zeitschrift Waterkant nicht mehr herauszugeben. Jetzt bekamen die Angestellten des AKN-Büros Kündigungsschreiben, demnächst wird auch noch die Büro-Wohnung in der Kreuzstraße, mitten im Bremer Ostertor-Viertel aufgelöst - ein kleines Zimmer im Keller muss künftig reichen. "Tragisch", sagt Nadja Ziebarth, die das Büro seit neun Jahren leitet, über das dräuende Aus. "Da wird etwas fehlen."

Bei anderen Umweltverbänden ist die Nordsee nur ein Thema unter vielen. Große Organisationen wie Nabu oder BUND, sagt Ziebarth, seien nicht so flexibel wie die kleine AKN. Und siemeldeten sich nicht immer so scharf zu Wort, wie die Schützer der Nordsee das für erforderlich halten: "wirtschaftskritisch" nämlich, sagt Ziebarth. Für typisch hält sie auch, dass kleine Vereine kaputt gehen - die großen Umweltorganisationen haben eher Zugang zu Spendern.

Die AKN hatte über die Jahre vor allem zwei Geldquellen, berichtet Gründer Peter Willers. Die eine speiste sich aus Bußgeldverfahren. "In den 25 Jahren haben wir einmal eine Spende vom Bremer Gericht erhalten", sagt Willers - bundesweit war das Interesse der Richterschaft am Meeresschutz größer: bis zu 120.000 Euro flossen jährlich an die AKN. Einen weiteren Batzen der Finanzierung sicherten "Projekte" des Bremer Umweltsenators, die allerdings jeweils 25 Prozent "Eigenfinanzierung" erforderten. Aber gerade die Bußgelder fließen spärlicher als früher.

"Wir haben weiterhin ein Interesse an der Zusammenarbeit mit der AKN", versichert Bremens grüner Umweltsenator Reinhard Loske. Institutionelle Förderung kommt für sein Haus aber nicht in Frage - nur für sinnvolle "Projekte" kann es Zuschüsse geben. Wobei das Geld auch da knapper ist als früher im überschuldeten Land Bremen. "Geldquellen sind versiegt, viele Aktive haben sich anderen Aufgaben zugewandt", heißt es in einer Einladung zum 25-jährigen Jubiläum der AKN. Die Feierlichkeiten sollen intern stattfinden: Man sei "an einem Punkt, an dem überlegt werden muss, ob und wie es weitergehen kann".

"Noch haben wir die Segel nicht gestrichen", sagt wiederum Gründer Peter Willers, der seinen 70. Geburtstag schon lange hinter sich hat. Es gebe noch eine Menge Aufgaben für die organisierten Nordseeschützer, zum Beispiel sich kritisch mit der Tiefseeforschung auseinander zu setzen - die meist nur der "Türöffner" für die Ausbeutung sei. Die Bundesrepublik hat sich im pazifischen Ozean die Ausbeutungsrechte an einer Fläche gesichert, die so groß ist wie das Land selbst - aber wer weiß das schon?

22 Jahre lang war Waterkant die Zeitschrift der AKN. Viermal im Jahr wurden darin politisch engagierte, fachkundige Aufsätze gesammelt. Zum Beispiel erschien die Studie zu den klammheimlichen Munitionsversenkungen durch den Bund dort zuerst - ehe das Thema dann durch die Tagespresse wanderte. 1988 druckte Waterkant eine Polemik gegen die andauernden Baggergutverklappungen der bremischen Hafenbauer ab - verfasst übrigens von jenem Jürgen Holtermann, der heute Chef der Hafenbauer-Firma Bremenports ist. Insgesamt erschienen in 22 Jahren 92 Hefte mit 3.388 Seiten.

Als die AKN im Herbst die Einstellung der Waterkant beschloss, weil sie die Zuschüsse nicht mehr leisten konnte, sicherte sich Redakteur Burkhard Ilschner den Titel und sammelte die Schreiber um sich - als gemeinnütziger Verein soll die Zeitschrift gerettet werden. Die Deutsche Umweltstiftung spendete zum Auftakt - nun sollen Unterstützer und Abonennten gewonnen werden (www.waterkant.info).

In den ersten Jahren, erzählt AKN-Gründer Willers, war der spätere UN-Direktor Klaus Töpfer noch Bundesumweltminister. Er lud die Streithähne der AKN nach Bonn ein - und dazu Vertreter der Chemieindustrie. "Da haben wir uns dann gezofft", erinnert sich Willers. Man war bei den offiziellen Nordseeschutz-Konferenzen dabei - Rederecht inklusive.

Wobei die AKN sich nie nur mit der Nordsee befasst hat: 1989 war eine Delegation nach Moskau eingeladen, später lud die lettische Unabhängigkeitsbewegung die Bremer Aktivisten nach Riga zu einer Ostseekonferenz. Was der KGB Willers zufolge nicht gern sah. Geschichten aus der der ruhmreichen alten Zeit will er auch bei der 25-Jahr-Feier erzählen. Auch in der Hoffnung, neue Aktive anzuwerben - für ein zweites Leben der Aktionskonferenz Nordsee.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.