Chávez nach dem Referendum: Das Öl ist sein neuer Gegner

Venezuelas Staatshaushalt und auch Chávez Sozialpolitik leben vom Ölexport. Mit dem fallenden Ölpreis könnte ihm das Geld ausgehen. Die Gunst seiner Wähler steht auf dem Spiel.

Werden die Leute auch noch "Ja" zu Chavez sagen, wenn er pleite ist? Bild: reuters

BUENOS AIRES taz Hugo Chávez hat einen unberechenbaren Gegner: den Ölpreis. Der befindet sich im freien Fall, von sagenhaften 140 Dollar Mitte 2008 pro Fass ist der Preis Anfang dieses Jahres auf unter 40 Dollar gesunken. Die Gefahr für Chávez: Bis Ende 2009 könnte ihm schlicht das Geld ausgehen.

Venezuela hängt am Öl. 2007 förderte das Land täglich 2,6 Millionen Barrel, nahezu der gesamte Export des Landes besteht aus Rohöl oder Ölprodukten. Der Staatshaushalt steht finanziell auf den Ölfässern, mehr als 45 Prozent der für 2009 veranschlagten 77 Milliarden Dollar sollen mit Ölgeld bezahlt werden. Für 2009 ist im Haushalt eine tägliche Fördermenge von 3,66 Millionen Barrel Öl veranschlagt, die auf dem Weltmarkt zu einem Preis von mindestens 60 Dollar pro Fass verkauft werden kann.

Mit dem Beginn der internationalen Finanzkrise kam auch der Ölpreis ins Rutschen. "Solange der Ölpreis über 55 Dollar pro Barrel bleibt, hat die weltweite Finanzkrise keine Auswirkungen auf Venezuela", sagte Chávez noch im Oktober 2008 zuversichtlich. Jetzt, im Februar 2009, liegt der Verkaufserlös bei rund 37 Dollar pro Fass.

Die Eckpfeiler von Hugo Chávez "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" sind die staatlichen Sozialausgaben. Die haben sich in den Jahren 1998 bis 2006 pro Kopf der Bevölkerung mehr als verdreifacht, wie eine aktuelle Studie des Washingtoner Center for Economic and Policy Research zeigt.

Teil der Sozialprogramme sind die Versorgung der armen Bevölkerungsschichten mit Lebensmitteln durch die Misión Mercal und die medizinische Versorgung mit Hilfe des Programms Barrio Adentro. Gestartet wurde Barrio Adentro mit der Entsendung von vor allem kubanischen Ärzten in die Armenviertel der Städte. Heute läuft das Programm bereits erfolgreich in einer vierten Phase, die die Einrichtung von Gesundheitsposten und den Bau von Krankenhäusern vorsieht.

Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik, Cepal, bestätigt den Erfolg der Maßnahmen. Nach ihren Angaben ist der Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung seit 2002 von 51 Prozent auf 28 gesunken, die extreme Armut sank dabei von 25 auf 8,5 Prozent. Auch auf die Arbeitslosigkeit wirken sich die Sozialprogramme positiv aus. Sie verringerte sich von 11 auf 7,4 Prozent. Allerdings hat sich in den zehn Jahren Chávez-Präsidentschaft die Zahl der Staatsangestellten nahezu verdoppelt. Von 1,4 Millionen stieg die Zahl auf 2,2 Millionen, die mit den Mitteln des Staatshaushalts entlohnt werden müssen.

Immer wieder hat Chávez versichert, dass der südamerikanische Ölstaat gegen die Folgen der Finanzkrise und den Ölpreisverfall gut gerüstet sei. Das Land habe finanzielle Reserven in Höhe von 80 Milliarden US-Dollar. Zudem verweist er darauf, dass nicht nur der Ölpreis international ins Rutschen gekommen sei, sondern auch die Preise für Nahrungsmittel. Ohne deren Einfuhr könnte Venezuela die eigene Bevölkerung seit vielen Jahren nicht mehr ernähren, jedes Jahr importiert der Ölstaat Lebensmittel in Höhe von rund 5 Milliarden Dollar. Die machen etwa 60 Prozent des Konsums der knapp 27 Millionen VenezolanerInnen aus.

Der schnelle und plötzliche Einbruch des Ölpreises bringt aber nicht nur den Staatshaushalt ins Wanken. Auch das Wirtschaftswachstum hat sich bereits verlangsamt. Von zuvor jährlich 7 bis 8 Prozent war es 2008 auf 4,8 Prozent gesunken.

Für dieses Jahr wird mit einer weiteren Verringerung gerechnet. Möglicherweise ist Hugo Chávez gezwungen, Abstriche bei seinen umfangreichen Sozialprogrammen zu machen. Sein großer Gegenspieler ist ab heute Mister Oil.

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