Kommentar Britische Arbeiterproteste: Populismus schlägt zurück

Es ist die völlig verfehlte Politik der EU, die den Streik in den britischen Ölraffinerien provoziert hat. Es geht ihr nicht um Grenzöffnung, sondern um den Abbau von Rechten.

Wirtschaftskrisen sind immer ein Nährboden für Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Der britische Premierminister Gordon Brown wird nun von den Arbeitern mit seinem eigenen Slogan konfrontiert: "Britische Jobs für britische Arbeiter." Ein törichtes Versprechen, denn Brown konnte es gar nicht einhalten: Großbritannien ist nun mal Mitglied der Europäischen Union.

Es ist die völlig verfehlte Politik dieser Europäischen Union, die den Streik in den britischen Ölraffinerien und Kraftwerken heraufbeschworen hat. Und er ist lediglich der Anfang, weitere Aktionen auch in anderen EU-Ländern werden folgen. Was nämlich als arbeitnehmerfreundliche Öffnung der inneren EU-Grenzen verbrämt wurde, hatte in Wirklichkeit ein ganz anderes Ziel: Die Arbeitskräfte sollten dem globalen Markt angepasst werden. "Flexibilität", so heißt das Stichwort. Leiharbeitsjobs und befristete Stellen haben zugenommen, die Rechte der Arbeiter haben abgenommen.

Der Abbau dieser Rechte ist vom Europäischen Gerichtshof untermauert worden. 2003 urteilte er, dass die finnische Reederei Viking Line eine estländische Besatzung einstellen und sie nach estländischen Bedingungen bezahlen durfte. Dadurch sanken die Lohnkosten um 60 Prozent. Ein Jahr später erlaubte der Gerichtshof einer lettischen Baufirma, in Schweden zu arbeiten und lettische Löhne zu zahlen.

Den Gewerkschaften ist der Vorwurf zu machen, dass sie trotz Globalisierung zu sehr im nationalen Denken verharren. Während die Konzerne an den arbeitgeberfreundlichen EU-Regelungen kräftig mitstrickten, haben es die Gewerkschaften versäumt, über die eigenen Grenzen hinauszublicken. Nun, in Zeiten der Krise, wird nahezu jede Forderung nach Demokratisierung, nach Abschaffung der Gelegenheitsbeschäftigung und Niedriglohnarbeit mit dem Hinweis auf die prekäre Globalwirtschaft abgeschmettert. Gerade jetzt wäre es aber angebracht, eine demokratischere Kontrolle der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts zu fordern - und nicht "Jobs für die Einheimischen".

RALF SOTSCHECK

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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