Kriegsende im Kongo: "Wir haben alle zusammen getanzt"

Rebellen und Regierung im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben das Ende des Krieges vereinbart. Jetzt sollen unter der Ägide Ruandas die Hutu-Milizen bekämpft werden.

Im Osten des Kongos schweigen jetzt endlich die Waffen. Bild: dpa

GOMA/MUSHAKI taz Es ist, als sei ein böser Fluch gewichen. Die Kriegsfronten im Osten der Demokratischen Republik Kongo, wo 1,2 Millionen Menschen vor Kämpfen zwischen Regierungstruppen, Milizen und Rebellen geflohen sind, haben sich aufgelöst. Die Straßensperre Mugunga, an der die Armee seit Jahren an der Hauptstraße aus der Provinzhauptstadt Goma Richtung Westen den Verkehr schikaniert - weg. Die Artilleriestellungen in den Hügeln - verwaist. Die Militärposten außerhalb der Frontstadt Sake am Fuß der Berge, wo sich die vorderste Position der Regierungsarmee befand und nur eine Biegung weiter die Vorposten der Tutsi-Rebellen von General Laurent Nkunda - leer. Man kann von der Provinzhauptstadt Goma bis ins Herz des Rebellengebiets der Provinz Nord-Kivu fahren, ohne anhalten zu müssen.

"Das ist wie der Mauerfall in Berlin", sagt ein verblüffter Beobachter in Goma. Am vergangenen Freitagabend setzten sich die elf wichtigsten Militärführer von Nkundas Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes), die seit August 2008 große Gebiete Nord-Kivus erobert hatte, im teuersten Hotel von Goma vor die Presse und verlasen eine "Erklärung zum Ende des Krieges". Die Feindseligkeiten seien eingestellt. Die Rebellion stelle alle ihre Truppen der Regierungsarmee zur Verfügung. "Alle Straßensperren der Armee und der CNDP sind aufgehoben."

Zwei Tage später waren die Straßensperren tatsächlich weg. Und schon am Samstag schloss sich der Dritte in Nord-Kivus Kriegskonstellation, die kongolesische Hutu-Miliz "Pareco" (Kongolesische Widerstandspatrioten), dem Frieden an. Da brachen in Goma Freudenfeiern aus. "Der Krieg ist vorbei!", hieß es auf Spontanmärschen. Sogar Rebellenchef Laurent Nkunda, der sich bis zuletzt gegen die Friedensbestrebungen seiner Kommandanten wehrte und dafür von diesen für abgesetzt erklärt worden war, lenkte ein und behauptet nun, es sei alles seine Idee gewesen.

Am Montag sitzt in Mushaki, einer der wichtigsten CNDP-Basen oben in den Bergen westlich von Goma, Rebellenadministrator Jerome Mushagiro entspannt in seiner Hütte und sagt wie jeder Gesprächspartner: "Der Krieg ist vorbei." Mushaki, wo Nkundas Kämpfer Ende 2007 der Regierungsarmee ihre blutigste Niederlage zufügten, war am Sonntag Schauplatz des ersten Versöhnungsfestes, auf dem Generäle aller Seiten der Bevölkerung das Kriegsende verkündeten. "Diejenigen, die wir Feinde nannten und die uns Feinde nannten - wir haben zusammen getanzt", erzählt ein alter Mann mit Tränen in den Augen.

Der Friedensschluss ist das Ergebnis wochenlanger Geheimverhandlungen zwischen Militärs. Nkundas Krieg hat gezeigt, dass Kongos Regierung den Osten des Landes nicht mehr beherrscht. Ruanda geriert sich nun als Ordnungsmacht - es will die im Ostkongo stationierten ruandischen Hutu-Milizen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) schwächen. Dafür braucht es sowohl die militärische Schlagkraft der CNDP als auch die politische Zustimmung von Kongos Regierung. Diese gewährt also Ruanda das Recht, im Ostkongo zu intervenieren, und im Gegenzug stellt die CNDP ihren Krieg ein. Und damit Ostkongos Hutu nicht zu den ruandischen Hutu in der FDLR überlaufen, wird auch die unter der Bauernbevölkerung starke kongolesische Hutu-Miliz Pareco eingebunden. "Es wird als Erstes eine gemeinsame Brigade gegen die FDLR geben, mit je einem Bataillon von Kongos Armee, von Ruandas Armee, von der CNDP und von der Pareco", erklärt ein CNDP-Soldat.

In den Bergen von Mushaki wird klar: Die Rebellen fühlen sich als Sieger. Der CNDP-Soldat hat nicht den Befehl, sich zu ergeben - er soll nur nicht mehr auf den Gegner schießen. Die Strukturen der Rebellen bleiben intakt. "Die Armee kommt hier nicht rein, wir bleiben hier", betont Administrator Mashagiro. "Aber wir gewähren ihnen Durchgangsrecht, wenn es gemeinsam gegen die FDLR geht."

Das Wichtigste: Man muss keine Angst mehr voreinander haben. Auf dem Rückweg aus Mushaki lässt sich ein CNDP-Soldat in der bisherigen Regierungsfrontstadt Sake absetzen. Noch vor Kurzem zirkulierten dort Lynchaufrufe gegen Tutsi. Jetzt steigt der Tutsi-Rebell, an seiner scheckigen Tarnuniform erkennbar, einfach am Markt aus und spaziert davon. Ein Regierungssoldat in grüner Uniform begegnet ihm. Sie tun so, als hätten sie sich nicht gesehen. Als könne es noch keiner so richtig glauben.

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