EU-Staaten wollen neues Gesetz: Zum billigen Augenlasern nach Ungarn

Die EU will Behandlungen im Ausland erleichtern. Doch einige Staaten sehen ihr Gesundheitssystem bedroht.

Das Gesundheitssystem wird vielleicht noch komplizierter. Bild: ap

BRÜSSEL taz Für den Europäischen Gerichtshof ist die Sache klar: Nach derzeitiger Vertragslage dürfen Patienten ihre Rezepte in anderen EU-Ländern einlösen oder sich dort medizinisch behandeln lassen. Das haben die Richter in mehreren Urteilen festgestellt. Doch in der Praxis ist das gar nicht so einfach.

Nach Schätzungen der EU-Kommission werden im Gesundheitswesen jedes Jahr europaweit eine Billion Euro umgesetzt. Nur ein Prozent davon, also 10 Milliarden, entfallen auf grenzüberschreitende Leistungen. Die Mehrkosten, die durch den Wechsel von einem Land ins andere entstehen, schätzt die Kommission auf 30 Millionen Euro, kaum mehr als eine Million pro Mitgliedsland.

Dennoch drängen die EU-Staaten auf ein neues Gesetz, das den komplizierten Übergang von einem Gesundheitssystem ins nächste regelt. Denn Europas Bürger werden weltoffener, sprachgewandter und wollen sich häufiger als früher ihre Zähne in Polen überkronen oder die Augen in Ungarn lasern lassen. Das ist oft billiger als in der Heimat.

Deshalb legte die EU-Kommission im Juli einen Gesetzesvorschlag vor. Er hält daran fest, dass ein Patient sich im Ausland behandeln lassen kann, die Leistung zunächst selbst bezahlt und den zuhause geltenden Satz erstattet bekommt. Gerät ein nationales Gesundheitssystem aber dadurch in Schieflage, dass Patienten abwandern und heimische Einrichtungen nicht mehr ausgelastet sind, gibt es Ausnahmen. Das Land muss der EU-Kommission eine Begründung liefern und kann dann verlangen, dass der Patient vor jeder Krankenhausbehandlung im Ausland eine Genehmigung seiner heimischen Kasse einholt.

Bei einem Treffen der europäischen Gesundheitsminister Mitte Dezember in Brüssel wurde aber deutlich, wie bedrohlich manche Länder die Patientenmobilität empfinden. Zwar waren sich alle einig, dass endlich ein EU-Gesetz Rechtssicherheit schaffen müsse. Mehrere Minister, darunter Ulla Schmidt (SPD) aus Deutschland, betonten allerdings, für stationäre und hochspezialisierte Leistungen müsse sich jedes Mitgliedsland die Genehmigungspflicht vorbehalten können - auch ohne dafür in Brüssel eine Begründung einzureichen. Die Langzeitpflege müsse von der Richtlinie ausgenommen werden. "Sie gehört nicht zur medizinischen Behandlung, sondern ist eine Solidarleistung der Gesellschaft, um Familien bei der Pflege zu unterstützen", hieß es von deutscher Seite.

Die britische Vertreterin sagte, für das Gesundheitssystem sollte auch in Zukunft der Nationalstaat zuständig sein. Es müsse einen "Piloten" im nationalen System geben, der Behandlungen im Ausland kontrolliere. "Das nationale System darf dadurch nicht für diejenigen destabilisiert werden, die weiterhin zuhause behandelt werden."

Estland will, dass der Hausarzt diese Pilotenrolle übernimmt. Luxemburg verlangt, dass jede Behandlung im Ausland genehmigungspflichtig ist - sonst würde ein so kleines Land, dessen Bewohner französisch und deutsch sprechen, sämtliche Patienten an die großen Nachbarstaaten verlieren.

Wie kompliziert es in der Praxis werden könnte, wenn Patienten über die Landesgrenze schauen, zeigt die deutsche Praxisgebühr. Sie wird nur einmal im Quartal fällig. Der Arzt, bei dem sie entrichtet wird, schreibt Überweisungen für alle weiteren Behandlungen. Wie wird das gehandhabt, wenn der Patient in einem anderen Land den Arzt aufsucht?

Wirkliche Verbesserungen für die mobilen Kranken gäbe es nur, wenn die EU-Staaten ihre Systeme angleichen würden, orientiert am qualitativ besten und relativ kostengünstigsten System. Dazu aber fehlt der politische Wille.

DANIELA WEINGÄRTNER

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