Wegweiser auf dem Berliner Biomarkt: Kohl, Kartoffeln und Kiwis

Gemüsekisten gehören seit gut zehn Jahren zum Angebot auf dem Berliner Biomarkt. Die Anbieter verteilen im Winter auch Südfrüchte - die erfüllen aber oft nur die einfachsten Biokriterien.

Selten deutlicher Hinweis: Aktion von Greenpeace bei der Grünen Woche 2004 Bild: AP

Das staatliche Biosiegel garantiert Mindeststandards: Die Lebensmittel dürfen nicht mit Gift gegen Unkraut und Schädlinge gespritzt sein, die Äcker dürfen nicht überdüngt werden, Geschmacksverstärker, künstliche Aromen und Farbstoffe sind verboten. Das gilt aber nur für 95 Prozent des Inhaltes - der Rest darf konventionell hergestellt sein. Auch 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Pflanzen können drin sein.

Bei Bioland sind die Kriterien strenger und detaillierter. So dürfen die Bauern weniger düngen, Hühner und Schweine haben mehr Auslauf und bekommen nur Biofutter, beim Konservieren von Fleisch ist Nitritpökelsalz verboten. Nach einer Umfrage des Nürnberger Marktforschungsunternehmens Konzept & Analyse kennen 61 Prozent der Verbraucher das Bioland-Siegel - das staatliche Sechseck-Siegel kennen dagegen immerhin 87 Prozent.

Lebensmittel mit dem Demeter-Siegel stammen von Bauern, die an die Antroposophie nach Rudolf Steiner glauben. Aussaat und Ernte werden auf die Mondphasen abgestimmt. Vorgeschrieben sind auch spezielle Präparate. Dabei wird etwa ein Bergkristall kleingemahlen und für eine Weile in der Erde vergraben. Das Pulver wird dann mit Wasser verrührt, versprüht und soll die gleiche Wirkung wie Sonnenstrahlen haben. HEI

Der Winter bringt eigentlich nur Kohl. Grünkohl, Blumenkohl, Kohlrabi oder Rosenkohl. Jede Woche zwar eine andere Kombination, aber der Grundtenor der winterlichen Gemüsekiste bleibt gleich - Kohl. Mehr als zehn Jahre gibt es in Berlin bereits das Angebot der Gemüsekisten von Bauernhöfen aus dem Umland. Deren Sortiment ist nicht mehr nur auf saisonales Gemüse beschränkt. "Wer keinen Kohl mag, findet auch im Winter in seiner Gemüsekiste keinen Kohl", sagt Ludolf von Maltzan, Geschäftsführer des Ökodorfs Brodowin in Brandenburg, etwa 80 Kilometer nordöstlich von Berlin.

Gemüsekisten sind eine Alternative zu Bioläden oder -supermärkten. Wer nicht nur biologische, sondern auch regionale Lebensmittel kaufen möchte, kann sich die Produkte von den Betrieben direkt nach Hause liefern lassen. Im Gegenzug laden viele Bauernhöfe ihre Kunden regelmäßig zu Besichtigungen ein. "Dort lernt man dann nicht nur den Bauern kennen", sagt Christoph Scholz von der "Märkischen Kiste", "sondern kann die Felder, auf denen der gelieferte Salat wächst, unter die Lupe nehmen."

Anbieter von Gemüsekisten gibt es für Berlin inzwischen viele; sie unterscheiden sich allerdings in ihrer Organisation. Während etwa beim Ökodorf Brodowin Produktion und Vertrieb in einer Hand liegen, hat sich die Märkische Kiste allein auf Zusammenstellung und Verteilung der Kisten konzentriert. Ins Sortiment aufgenommen haben beide neben saisonalen Produkten biologisch erzeugtes Obst und Gemüse aus dem Ausland. So sind im Winter auch Clementinen, Ananas und Mangold im Angebot. "Wir setzen auf die freie Auswahl", sagt von Maltzan. Dennoch würden die meisten Kunden weiter das traditionelle Saisonangebot nutzten.

Rund 1.400 Berliner Haushalte beliefert das Unternehmen wöchentlich. Selbst erzeugt werden Obst und Gemüse, Milchprodukte, Salami und Öl. Biohonig wird von einem befreundeten Imker bezogen, Südfrüchte, Käse, Wein und Reis vom Biogroßhändler Terra. Ausgeliefert wird einmal in der Woche - fertig zusammengestellte, aber auch individuell ausgewählte Biokörbe.

Individuell entscheiden können die Kunden auch bei der Märkischen Kiste. "Niemand muss bei uns seine persönlichen Schreckgespenster bestellen", sagt Inhaber Christoph Scholz. Seine Produkte bezieht der Gartenbauingenieur hauptsächlich von zwei zertifizierten Bioland-Landwirten und einem Demeter-Bauern aus Brandenburg. Jeden Winter setzten sie sich zusammen, um den Anbau für das kommende Jahr zu planen. Was in der Region nicht angebaut werden kann, kommt vom Biogroßhändler. Mehr als 1.100 Haushalte beliefert der 1997 gegründete Betrieb. "Am Anfang war es nicht einfach", sagt Scholz. "Aber mittlerweile kommen wir ohne Werbung wunderbar aus."

Scholz und von Maltzan setzen bei ihren Produkten auf einen hohen Qualitätsstandard, geben sich mit dem EG-Ökosiegel der EU nicht zufrieden. Beide sind Mitglied in einem Bioverband, Maltzan im Demeter- und Scholz im Bioland-Verband (siehe Kasten). Damit unterliegen sie neben den staatlichen auch den Verbandskontrollen, die zusätzlichen Kriterien wie dem Verzicht auf genetisch veränderte Organismen unterliegen. Schwierig wird es bei Südfrüchten oder Gemüse aus dem Ausland. "Die erfüllen meist nur das EG-Siegel", so Scholz. Und auch wenn Ananas und Kiwi die Biokisten aufpeppen, den Anspruch an streng biologische und regionale Lebensmittel erfüllen am Ende nur die Kohlköpfe und Kartoffeln vom Bauern aus Brandenburg.

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