Kommentar US-Gefangenenlager: Verantwortung für Guantánamo

Die Aufnahme unschuldiger Guantánamo-Häftlinge in Deutschland ist nun auch ein Thema für die Regierung - endlich.

Endlich ist die Aufnahme unschuldiger Guantánamo-Häftlinge in Deutschland auch ein Thema für die Regierung - und nicht mehr "nur" für Menschenrechtsorganisationen und die Opposition. Die Schließung Guantánamos dürfe "nicht daran scheitern, dass sich jemand weigert, Häftlinge aufzunehmen", hieß es gestern.

An diese Erklärung des Außenministeriums wird man in den nächsten Monaten immer wieder erinnern müssen. Denn noch will das Regierungslager mithilfe von Bedingungen, Nebelkerzen und teilweise unwahren Behauptungen eine Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen eher ausschließen. Etwa wenn der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz fordert, der Häftling müsse einen "Bezug" zu Deutschland haben, wolle er aufgenommen werden. Hamburgs Innenminister Christoph Alhaus (CDU) sekundierte: Deutschland dürfe "nicht der Ort werden, wohin die Amerikaner ihre missliebigen Terroristen abschieben".

Doch es geht ausschließlich um die voraussichtlich rund 200 unter den derzeit noch 255 Guantánamo-Häftlingen, die auch nach US-Erkenntnissen unschuldig einsitzen. Gegen sie wird es kein Strafverfahren geben. Für 50 Häftlinge haben die USA dies bereits offiziell festgestellt. Da sie weder in ihr Heimatland zurück- noch in den USA bleiben können, sucht Washington zum Teil schon seit Monaten vergeblich aufnahmebereite Drittländer. Die Frage nach einer Aufnahme in Deutschland stellt sich also entgegen der gestrigen Feststellung des stellvertretenden Regierungssprechers Thomas Steg schon seit geraumer Zeit und wird immer dringender. Politisch und moralisch falsch ist auch Stegs Feststellung, eine Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen sei "kein spezifisch deutsches Problem", sondern müsse auf europäischer Ebene geklärt werden. Die Kumpanei europäischer Staaten bei den Völkerrechtsverstößen und Menschenrechtsverletzungen der Bush-Regierung in Guantánamo und anderswo lag in nationalstaatlicher Verantwortung. Mit Ausnahme von Polen und Rumänien, wo zeitweise Haft- und Folterzentren der USA existierten, war diese Kumpanei bei keinem europäischen Land größer als bei Deutschland.

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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