Interview zum Praktikantenschutz: "Praktikanten sollen lernen"

Die Koalition streitet über den Praktikantenschutz. Bettina König vom Verein Fairwork erklärt, warum Praktikanten keine regulären Arbeitskräfte sein dürfen - aber trotzdem Geld verdienen müssen.

Praktikanten sollten mehr Erfahrung mitnehmen als den besten Kaffee zu kochen. Bild: ap

taz: Die SPD will Praktikanten und Praktikantinnen mehr Rechte garantieren, doch die Union blockiert die Idee. Rechnen Sie noch mit einer Einigung?

Bettina König: Das ist schwer zu sagen. Wir haben unsere Petition schon Ende 2006 im Bundestag eingereicht und warten seitdem auf eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Praktikanten. Falls die nächstes Frühjahr nicht zustande kommt, wird daraus vor der Bundestagswahl im September nichts mehr.

Firmen sollen nach SPD-Plänen Praktikanten zum Beispiel schriftliche Verträge ausstellen statt mündlicher Vereinbarungen. Ist das sinnvoll?

Ja. Schriftliche Verträge schaffen Verbindlichkeit. Wir finden alle vier Vorschläge (siehe Kasten) gleichermaßen wichtig. Vor allem ist es gut, gesetzlich festzuschreiben, dass ein Praktikum ein Lernverhältnis ist und nicht ein unbezahltes, ansonsten aber normales Arbeitsverhältnis. Wir hätten gerne noch weitere Regelungen, etwa eine Begrenzung der Praktikumsdauer und eine festgelegte Minimalvergütung.

Warum hat Bildungsministerin Schavan den ausgehandelten Kompromiss blockiert?

Aus uns unerklärlichen Gründen und trotz der neuesten Zahlen des Arbeitsministeriums sieht Frau Schavan immer noch keinen Handlungsbedarf, sondern stellt die Ausbeutung von Praktikanten als ein Einzelphänomen hin. Eine gesetzliche Regelung für Praktika tut sie als Überregulierung und Bürokratisierung ab. Der Verdacht liegt nahe, dass Frau Schavan und die CDU hier schlicht die Interessen der Arbeitgeber vertreten.

Vor einigen Jahren war die "Generation Praktikum" in aller Munde. Sind die Probleme die gleichen geblieben?

Ja, die Situation hat sich leider kaum verändert. Neu ist nur, dass sich Absolventen des Missbrauchs von Praktika stärker bewusst sind.

Auf welche Fälle von Scheinpraktika stoßen Sie in Ihrer Beratungspraxis?

Ein Radiosender beschäftigte einen Festangestellten und zwölf Praktikanten. Da ersetzten unbezahlte Praktikanten volle Stellen und arbeiteten so gut wie ohne Betreuung. Bei einer anderen Ausschreibung sollte ein Praktikant sogar Personalverantwortung tragen.

Wie sieht das ideale Praktikum aus?

Der Lerneffekt für Praktikanten sollte im Vordergrund stehen, nicht die Arbeitsleistung für das Unternehmen. Während des Studiums sind Praktika sinnvoll, um in eine Branche reinzuschnuppern, nach dem Studium sollten Praktika aber nicht mehr nötig sein. Außerdem müsste jedes Praktikum entlohnt werden: 400 bis 600 Euro brutto im Monat während des Studiums, 1.200 bis 1.500 Euro nach dem Studium - das entspräche einem Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde, den die Gewerkschaften fordern. Und Praktika sollten nicht länger als drei Monate dauern, außer die Studienordnung verlangt es.

Laut Industrie- und Handelskammer würden bei einer Gesetzesänderung zwei Drittel aller Praktikumsplätze wegfallen. Ist ein unfaires Praktikum nicht besser als Arbeitslosigkeit?

Nein, auf ein unfaires Praktikum kann man verzichten. Meist kommt danach nämlich nicht der Traumjob, sondern nur das nächste Praktikum. Absolventen senden damit auch ein falsches Signal an künftige Arbeitgeber, nämlich dass sie generell bereit sind, sich auf schlechte Verträge einzulassen. Wir empfehlen eher noch Zeitarbeit, da knüpft man auch Kontakte, wird aber besser bezahlt und kann ein echtes Arbeitsverhältnis vorweisen. Selbst wenn durch eine gesetzliche Neuregelung unfaire Praktikaplätze wegfallen sollten, würden neue Möglichkeiten für freie Mitarbeit und Volontariate entstehen - irgendjemand muss die Arbeit ja machen.

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