Der Kolonialist aus dem Keller

14 Monate erinnerte ein Denkmal des Kolonialherren Hermann von Wißmann bei den Hamburger Landungsbrücken an die deutschen Taten in Afrika – und an den Umgang mit dieser Vergangenheit. Jetzt soll es wieder verschwinden

Aus welchen Motiven auch immer, sie wollen ihn behalten, den alten Kolonialisten. 95 Prozent derjenigen, die im Internet über den Verbleib des geschichtsträchtigen Hamburger Wißmann-Denkmals abgestimmt haben, sprachen sich dafür aus, es nahe den Landungsbrücken stehen zu lassen. Die Abstimmung ist Teil des Kunstprojekts der Hamburger Künstlerin Hannimari Jokinen, die Wißmann im Sommer 2004 aus dem Keller der Sternwarte in Bergedorf geholt und wieder aufgestellt hatte. Offenbar zum Gefallen der BürgerInnen.

Doch es sieht danach aus, als würde die zum Teil beschädigte Bronzeskulptur im Dezember wieder in einen Keller verbannt werden. „Es war von Anfang als temporäres Projekt geplant“, sagt Björn Marzahn, Sprecher der Hamburger Kulturbehörde, die sich an der Finanzierung des Kunstwerks beteiligt hatte. Über die Aufstellung an einem anderen Ort ließe sich mit der Künstlerin reden. Welcher das sein könnte, sei aber noch unklar, ebenso woher das Geld kommen solle.

Für Jokinen ist klar, dass das Denkmal als sein eigenes „Gegen-Denkmal“ einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte leistet. Mit dem Internet-Forum sei die Möglichkeit geschaffen, den Mythos des stolzen Kolonialherren zu dekonstruieren, sagt sie. Die Befürchtung, dass das Kunstwerk eine Pilgerstätte für Rechte werde, habe sie nie gehabt, es sei auch nicht passiert, erzählt Jokinen. Aber auch: „Wir können den Menschen aber nicht vorschreiben, was sie denken, wenn sie die Figur sehen.“

Dabei sprechen das Denkmal und die Spuren, die seit seiner Einweihung 1909 im ostafrikanischen Daressalam an ihm hinterlassen wurden, für sich. Es zeigt den Offizier Hermann von Wißmann in herrschaftlicher Pose, ihm zu Füßen einen ehrfürchtig aufblickenden Askari-Krieger, nebst Reichsflagge und einem toten Löwen. Wißmann war 1895 Gouverneur des besetzten Gebiets „Deutsch-Ostafrika“ und für die blutige Niederschlagung des so genannten „Araberaufstands“ verantwortlich. Nach dem ersten Weltkrieg wurde sein Denkmal nach London verschifft, diente unter anderem als Anschlagsäule und wurde schließlich auf Drängen der deutschen Kolonialbewegung Deutschland übergeben.

Spuren hinterließen sowohl die Luftangriffe der Alliierten 1945 als auch Studentenproteste in den 60er Jahren. Zweimal stürzten ihn Studierende vom Sockel, kurz darauf landete die Statue im Keller, wo sie blieb – mit einem kurzen Intermezzo 1987 für eine Ausstellung –, bis Jokinen die Figur für ihr Kunstwerk hervorholte. Ein Graffito von Unbekannten auf dem Sockel („Kein Denkmal den Rassisten“) wurde auf Wunsch von Jokinen nicht entfernt, sondern von der Künstlerin Ilka Vogler im September mit Wiederholungen der Worte „remember, erinnern“ teilweise überschrieben.

Christine Jähn