Diese Überschrift ist suchmaschinenoptimiert: "Interview, SEO, Internet"

Taucht eine Webseite nicht unter den ersten Suchergebnissen bei Google auf, bleibt sie meistens unentdeckt. Will der Betreiber das ändern, braucht er einen Suchmaschinenoptimierer wie Christoph Burseg.

"Zu jedem Suchwort gibt es nur einen ersten Platz im Suchergebnis. Und der ist das Ziel." Bild: dpa

taz: Was ist Suchmaschinenoptimierung?

Christoph Burseg: Suchmaschinenoptimierung, oft SEO abgekürzt (aus dem englischen Search Engine Optimization), soll helfen, einer Internetadresse an eine möglichst oft angeklickte Stelle in den Ergebnissen von Internet-Suchmaschinen wie Google zu verschaffen. Dazu gehören einerseits Offline-Maßnahmen, die Leute auf meine Website aufmerksam machen sollen, also relativ normale PR-Arbeiten. Ein großer Teil davon besteht aber aus Onsite-Aktionen, also Optimierungen an der eigenen Website, ihrem Inhalt und ihrem programmiertechnischen Hintergrund.

Damit man in Internet-Suchmaschinen gefunden wird, muss die Maschine die Inhalte meiner Website in einem Meer aus Milliarden Seiten finden können. Damit das Programm, das für die Suchmaschine Texte findet, zu meiner Webadresse kommt, muss sie verlinkt sein. Ist das passiert möchte ich, dass die Suche auch versteht, worum es auf meiner Seite geht. Suchmaschinen sind ein wenig blind für die optische Erscheinung einer Seite im Internet. Sie können nicht erkennen: Das hier mit dem dicken roten Rahmen ist wichtig, das ist die Überschrift, das eine Bildunterzeile. Sie sehen sich alle Worte an und versuchen eine Seite zu verstehen. Das kann man ihnen schwer machen oder oder einfach. Der Unterschied drückt sich in der Anzahl der Besucher aus.

Was sind denn solche "Onsite"-SEO-Maßnahmen, die der Suchmaschinen helfen, eine Seite zu verstehen?

Die SEO-Maßnahmen auf einer Website müssen immer die Stärken einer Seite fördern und die Schwachstellen beseitigen. Zu jedem Suchwort gibt es nur einen ersten Platz im Suchergebnis. Und der ist das Ziel. Es gilt Nischen zu erkennen und zu besetzen. Ein erster Schritt ist die Erreichbarmachung von Inhalten. Das ist auch 2008 noch keine Selbstverständlichkeit. Mangels Know-How bei Website-Entwicklungen oder Relaunches wird in großen Teilen auch heute noch viel versäumt.

Und wie mach ichs richtig?

Damit eine Suchmaschine weiß, was für tolle Inhalte ich auf meiner Webseite habe, sollte ich die ganzen Informationen natürlich in die richtigen Felder in meinem CMS (Content Management System) schreiben. Überschriften, Titel-Felder und Seitenbeschreibung sind extrem wichtig. Nicht nur das einfache Beachten dieser Felder wie Keywords, Überschrift und Anlauftext reicht, obwohl das sehr wichtige Felder für Google sind - die wichtigsten für Google News.

Die Auswahl und Reihenfolge von Wörtern, Sätzen und Textpassagen kann hier ebenfalls entscheidend sein. Selbst bei inzwischen als "Basics" etablierten Dingen wie einer sprechenden URL-Struktur wird auch auf vermeidlichen "optimierten" Seiten viel falsch gemacht und damit Potential verschenkt. Weitere Maßnahmen sind eine sinnvolle interne Verlinkung aller Seiten untereinander oder die Pflege der richtigen Schlagwörter, die genau zu einer Seite passen.

Was müsste ich jetzt konkret beachten, wenn ich will, dass ein Artikel, sagen wir, ein Interview mit einem SEO-Fachmann, von besonders vielen Lesern gefunden wird?

Gefunden wird nur, was auch geschrieben steht. Also sollte aus SEO Sicht natürlich eine perfekte SEO-Überschrift so lauten: "SEO-Interview: Webseiten in Zeiten von Suchmaschinenoptimierung". Die passenden Keywords für diesen Artikel wären wohl: SEO, Interview, Suchmaschinenoptimierung, Internet, Websites, Onlinemarketing.

Und wieso spielt die Auswahl und Reihenfolge von Wörtern, Sätzen und Textpassagen eine Rolle? Das wichtigste zuerst?

Google denkt sich, dass eine Information umso mehr wert hat, je früher sie genannt wird. Daher sollte man sich diesem Umstand bedienen und gleich in den ersten 160 Zeichen eines Textes die wichtigsten zwei bis drei Worte erwähnen.

Hier wären es die Worte "SEO, Interview, Suchmaschinenoptimierung"

Wie verbreitet ist der SEO-Einsatz bei professionellen Sites wie Nachrichtenportalen, Shops und Bloggern?

Die Verbreitung ist sehr unterschiedlich. Vor zwei Jahren betrieben höchstens zehn bis 15 Prozent der deutschen Firmen gezielte Suchmaschinenoptimierung. Inzwischen kümmert sich vielleicht nur ein zehntel nicht mehr darum. Jetzt geht es darum, wer am schlausten vorgeht. Blog-Betreiber haben - je nach Blog-System - oft schon technisch viel leichtere Möglichkeiten. Viele Blogs sind gut optimiert ohne dass der Betreiber Ahnung von SEO hat. Shops sind oft darauf angewiesen, dass sie Besucher über Suchmaschinen erhalten. Hier wird sehr viel Mühe und Detailarbeit geleistet. E-Commerce kann auch als Motor der Suchmaschinenoptimierung gesehen werden.

Seit wann beschäftigen sich Leute mit Suchmaschinen-Optimierungen?

Seit der ersten Suchmaschine Mitte der Neunziger beschäftigen sich Leute damit - aus den unterschiedlichsten Gründen. Sei es wissenschaftliches Interesse von Suchmaschinen-Entwicklern oder privates Interesse von Webmastern bis hin zu wirtschaftlichen Gründen von Unternehmern, die durch ein "Mehr" an Besuchern ein "Mehr" an Umsatz verbuchen können.

Wie fing das an?

Am Anfang waren die Rankingmaßnahmen von Google und anderen Suchmaschinen sehr einfach zu beeinflussen. Sofern ich die richtigen Suchworte unsichtbar auf meiner Seite eingesetzt habe, wurde die Seite zu diesem Suchwort gefunden. Ich habe so aus reiner Freude eine zeitlang täglich viele tausend Besucher auf die Homepage meines 300-Seelen Dorfes gelenkt und mich einfach gefreut. Andere waren da wirtschaftlich ein wenig schlauer aufgestellt. Sie haben auf den Zielseiten Werbung geschaltet und daran direkt verdient. Wenn man mit einer Website täglich 10.000 Besucher bekommen konnte, konnte man mit 10 Websites 100.000 Besucher bekommen.

Es wurde eine reine Frage des Aufwandes, der jedoch jahrelang mit einem positiven Grenzertrag versehen war. Dazu kam in Deutschland der nahezu allein durch Google beherrschte Suchmaschinenmarkt. Man konnte sich direkt auf eine Maschine ausrichten und optimieren. Natürlich möchte keine Suchmaschine das. Jede Aktion von SEOs hatte Reaktionen der Suchmaschinen zur Folge. Die Suchmaschinen fingen ca. 2005 dann an, mit großem Aufwand gegen Irreführungen der Suchergebnisse vorzugehen. Damit hatte sich eine neue Form der Suchmaschinenoptimierung ergeben. Während zuvor die Hauptaufgabe darin bestand, Quantität zu produzieren und Lecks und Schwachstellen des Algorithmus auszunutzen, kam nun eine neue Disziplin dazu: Qualität gut erreichbar zu machen.

Was bedeuten die Optimierungsmaßnahmen konkret für den für Traffic (Besucher einer Website)?

Es gibt drei Traffic-Quellen. Direkteingaben kennen meine Website und kommen einmal oder auch mehrmals direkt durch Eingabe von www.example.com zu mir.

Das ist klasse. Leider navigiert man im Web nur bedingt über das Eingeben von URLs viel lieber klickt man auf Links.

Das ist die zweite Traffic-Quelle. Wenn ich interessante Inhalte habe oder ein gutes Netzwerk an Freunden, bekomme ich auch Besucher über Links. Diese Links können also gekauft oder natürlich entstanden sein.

Als dritte Traffic-Quelle dient eine Suchmaschine. Durch die Omnipräsenz von Suchmaschinen (Startseite, Toolbars etc.) ist es nicht verwunderlich, dass im Monat geschätzt über 10 Milliarden Suchabfragen allein in Deutschland getätigt werden. Es gibt also eine Menge Klicks zu verteilen. Und da Besucher sich hauptsächlich für einen Treffer auf der ersten Seite entscheiden und hiervon wiederum über 60 Prozent für den ersten Eintrag dort, kann jeder selber entscheiden, ob dieser Traffic Bedeutung hat.

Woher stammen die Informationen dazu, wie SEO funtioniert? Wie kooperativ ist Google und wieviel Erkenntnisse schafft der einzelne oder die Community durch Experimentieren?

Google hilft allen Webmastern mit einer Art "Kodex" seine Website gut für Suchmaschinen erreichbar zu halten. Der Rest ist Erfahrung und Kreativität. Es gibt für nahezu jedes Ziel einen SEO-Trick. Ob man nun auf Nachrichten, Preissuchen, E-Commerce, Newsletter-Anmeldungen usw. optimiert. Tricks und Geheimnisse verrät Google nicht. Positionierungen im organischen Index sind nicht käuflich. Wer viel Wissen teilt, wird auch viel neues Wissen aus der SEO - Community erlangen.

Schränkt die SEO-Optimierung von Überschriften journalistischer Texte nicht die Freiheit des Autors ein, gerade bei feuilletonistischen Themen?

SEO ist ein Werkzeug. Man kann es nutzen oder lassen. Ich bin absolut für Perlen, die sich von niemandem im Schreibstil ändern lassen. Jede Redaktion und Website kann sich vielleicht ein paar derartige Texte leisten. Ansonsten lässt sich sagen, dass SEO - sofern gut gemacht - gar nicht qualitativ oder journalistisch unterscheiden müssen. SEO stellt einem Autor natürlich neue Herausforderungen: Kann ich meine Nachricht herüberbringen und dabei dafür sorgen, dass ich eine große Reichweite erreiche. Es gibt immer Ausnahmen und die muss es geben. Falls jedoch in einer Redaktion alle Autoren jegliche Les- und Findbarkeitsunterstützung ablehnen, muss die Redaktion für sich herausfinden, ob dies langfristig ein tragbares Konzept ist.

Wie sieht diese Findbarkeitsunterstützung aus? Ist sie nicht eine Fußfessel?

Sie besteht zunächst einmal in dem Wissen, welche Hebel helfen oder nicht helfen. Erst dann wird klar, dass SEO kein Keyword-Diktat ist, sondern - wie ein gut geschriebener Teaser - eine Möglichkeit, viele Augen auf meinen Artikel zu lenken.

Gibt es SEO-Tipps für längere Texte?

Es gibt Erkenntnisse, was Leser mögen. Leser scannen Texte nach wichtigen Passagen, wichtigen Signalwörtern. Finden sie diese nicht auf einen Blick, ist die nächste Seite nur einen Klick entfernt. Erst am Schluss einer Geschichte zum Kern zu kommen ist also nicht empfehlenswert.

Hat SEO auch irgendwelche Vorteile für den normalen Nutzer?

Schätzungen gehen davon aus, dass nur 15 Prozent aller weltweiten Informationen digitalisiert sind. Von diesen 15 Prozent liegen rund 50 Prozent im sogenannten "Darkweb". Sie sind nicht verlinkt, nicht zu finden. Je mehr bei Website-Erstellung darauf geachtet wird, dass eine Seite auch "verfügbar" gemacht wird, desto mehr Informationen stehen Nutzern zur Verfügung. Desto breiter sind die Themen und desto kontroverser kann ich mich informieren.

Solange Computer uns Menschen das Denken noch nicht abnehmen können, muss man ihnen bei Verständnisfragen helfen. SEO schließt diese Lücke.

Manche halten Ihren Job für eine Art unlauteren Wettbewerb. Warum ist Suchmaschinenoptimierung angeblich anrüchig?

Das SEO-Know-How ist immer noch nicht allzu weit verbreitet. Trends, Themen und Vorgehen tröpfeln nur langsam von den frühzeitigen, neugierigen Anwendern an die breite Masse durch. Es wird heute in der Öffentlichkeit eine Diskussion geführt, die zwei bis drei Jahre früher aktuell war. Suchmaschinen ändern sich monatlich, wöchentlich, täglich. Man verbindet SEO fälschlicherweise mit einer Beschneidung der Inhalte. In Wirklichkeit ist es eine Optimierung. Suchmaschine halten die Ranking-Algorithmen geheimer als Coca Cola seine Wunderformel. Das hat Wettbewerbsgründe aber natürlich wollen Google, Yahoo oder Microsoft nicht, dass jeder genau weiß, was zu tun ist, um auf Platz 1 zu kommen. Sie möchten, dass der Computer entscheidet, was passt. Dies führt dazu, dass der Mythenbildung keine Grenzen gesetzt sind. Es widerspricht ja niemand, wenn Gerüchte in der Welt stehen. Skepsis und Ablehnung sind auch im Online-Bereich eine Haltung, die Menschen kurzfristig das Risiko minimiert.

Wo liegt der Unterschied zwischen Suchmaschinen-Optimierung und Suchmaschinen-Marketing?

Der ist eindeutig. SEO bezeichnet alle Wege und Mittel, im organischen Suchindex gut platziert zu sein. Dieser findet bei den großen Suchmaschinen meist in der breiten Mittelspalte statt. Ein Klick in diesen Ergebnissen kostet den Websitebetreiber nichts und auch die Platzierung ist nicht käuflich. Große und kleine Firmen sowie Privatleute haben die gleichen Chancen. Es entscheidet allein ein guter Inhalt, die Akzeptanz im Web und eine gewisse technische Sinnhaftigkeit.

Für das SEM werden an der meist rechten Spalte der Suchergebnisse und auf Websites kleine Textanzeigen geschaltet, die man recht frei gestalten kann. In einer Art Versteigerung wird die Reihenfolge der SEM-Ergebnis-Anzeigen festgelegt. Wenn ich bereit bin, zwei Euro pro Klick zu zahlen, tauche ich auch über einem Mitbewerber auf, der nur 10 Cent pro Klick zu zahlen bereit ist. Firmen können hier also auch auf Ergebnisseiten erscheinen, in denen sie organisch wenig Chancen haben, oder mit ihrer Platzierung nicht zufrieden sind.

Was ist mit Abstrafungen durch Google?

Google hat klare Webmaster-Richtlinien. Es gibt klare Dos and Don'ts. Wer diese missachtet, wird aus dem Index entfernt. Ein prominentes Beispiel war BMW vor 2 Jahren. Hier waren Brückenseiten mit unsichbaren Inhalten nur für Suchmaschinen erstellt worden. Nach Entfernung dieser Techniken wurde BMW wieder in den Google Index aufgenommen.

Es gibt inzwischen Nachrichtensites, die nachsehen, was die bei Google News am meisten gelesenen Artikel sind, um dann auch etwas zu dem Thema auf ihre Seiten zu stellen, um in der Liste bei Google prominent aufzutauchen. Was ist davon zu halten?

Es geht hier darum, Artikel gezielt für "heiße Suchen" zu generieren. Sofern ein Artikel gut ist und einen Nutzen für den Suchenden beinhaltet, ist das eine gute Sache. Artikel, die dem Suchenden nicht weiterhelfen, werden nicht lange in Google erfolgreich sein. Google kann messen, ob und wie lange ein Nutzer sich mit einer Internetseite auseinandersetzt. Sofern man nach zwei Sekunden schon wieder die Seite verlässt, wird das mittel- und langfristig im Google-Index nicht hilfreich sein.

Spielen außer Google noch andere Suchmaschinen eine ernsthafte Rolle für SEO?

Nicht in Deutschland. Google hat nahe 100 Prozent Marktanteil. Dahinter folgen Yahoo! und Microsoft Live. Diese sind jedoch für Massen-Websites nicht wirklich Ziele für SEO. Aber was Google hilft, schadet den anderen Suchmaschinen in aller Regel nicht.

INTERVIEW: JULIA NIEMANN

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