Kommentar Konjunkturprogramm: Gipfel der nationalen Egoismen

Ein eigenes Konjunkturprogramm nützt Deutschland wenig. Was dem Exportweltmeister wirklich helfen könnte, wären Finanzspritzen in Washington, Paris oder London.

Ein "europäisches Konjunkturprogramm", wie die Nachrichten verkünden, haben die EU-Regierungschefs am Freitag in Brüssel nicht beschlossen. Sie haben sich vielmehr darauf verständigt, die nationalen Maßnahmen einfach zusammenzurechnen. Die unterschiedlichen Antworten auf die Krise werden damit weiter von den nationalen Egoismen bestimmt. Anders als die Schimpfkanonaden gegen den deutschen Finanzminister glauben machen, gilt das allerdings nicht nur für Deutschland.

Der Unterschied ist nur, dass der Exportweltmeister - ähnlich wie viele kleinere EU-Staaten - von einem eigenen Konjunkturprogramm besonders wenig profitieren würde. Die Auftragseinbrüche in der Autobranche oder beim Maschinenbau gehen fast ausschließlich auf die klammen Kassen ausländischer Besteller zurück. Daran lässt sich mit Steuernachlässen oder Konsumgutscheinen wenig ändern, allenfalls der Import von Haushaltsgeräten oder Unterhaltungselektronik würde damit angekurbelt. Konjunkturprogramme, die der deutschen Wirtschaft wirklich helfen, können nur aus Washington, Paris oder London kommen.

Dass Briten oder Franzosen sauer sind, ist deshalb verständlich. Dass deren Programme sinnvoll sind, ist damit aber noch nicht gesagt. Sie sind weniger der politischen Vernunft geschuldet als vielmehr parteitaktischen Überlegungen. Das Regierungssystem des Nicolas Sarkozy ist zu sehr auf Aktionismus angelegt, als dass sich der Präsident einen Moment des Innehaltens leisten könnte. Und Gordon Brown stand schon kurz vor dem Abgang, bevor er mit seinem Mehrwertsteuer-Coup eher seinen eigenen Kopf als die Zukunft der britischen Wirtschaft rettete.

Nicht anders kalkuliert die Koalition in Berlin. Mit dem Unterschied allerdings, dass die Stunde der Not erst im nächsten Jahr kommen wird - wenn die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt und gleichzeitig die Zahl der Arbeitslosen steigt. Bis dahin soll das Pulver trocken bleiben, wie es derzeit so schön heißt. Angela Merkel folgt damit dem Lehrbuch für Wahlkämpfer, nicht der Fibel der Nationalökonomie. Aber so machens derzeit alle. Wer anderes behauptet, geht der Brüsseler Interessenpolitik auf den Leim.

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