Gewerkschafter in Tunesien verurteilt: Zehn Jahre für "kriminelle Vereinigung"

In Tunesien wurden 33 Gewerkschafter zu hohen Haftstrafen verurteilt, weil sie gegen dubiose Jobvergaben protestierten. Ihre Anwälte sprechen von Folter.

Proteste enden in Tunesien allzu oft im Gefängnis. Bild: dpa

MADRID taz Tunesiens Präsident Ben Ali lässt keine Proteste zu. Wer es dennoch wagt, muss mit hohen Haftstrafen rechnen. Dieses Schicksal ereilte am Donnerstagabend 33 Gewerkschaftsaktivisten aus der Bergarbeiterstadt Gafsa im Südwesten Tunesiens. Sie müssen für zwei bis zehn Jahre hinter Gitter. Fünf weitere wurden freigesprochen.

Die Verurteilten waren Anfang des Jahres nach sozialen Unruhen in der phosphatreichen Region verhaftet worden. Auslöser der friedlichen Demonstrationen war ein Einstellungsverfahren bei der Phosphatgesellschaft CPG im Januar gewesen. Bei der Auswahl der Bewerber in der von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Region seien nur Günstlinge der Leitung berücksichtigt worden, beschwerten sich die Arbeiter. Der Generalsekretär des Ortsverbandes der weitgehend staatlich kontrollierten Gewerkschaft UGTT und jetzige Hauptangeklagte, Adnane Haji, bestätigte die Vorwürfe.

In den folgenden Monaten kam es immer wieder zu Demonstrationen gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit und die steigenden Lebensmittelpreise. In Gafsa sind 30 Prozent der Bevölkerung ohne Arbeit. Die Polizei ging immer härter vor - im April erschossen Polizisten drei Jugendliche, und über 140 Verhaftete wurden in Schnellverfahren zu harten Strafen verurteilt.

Die 38 Angeklagten in dem aktuellen Verfahren, die seit 4. Dezember vor Gericht standen, gehören fast alle der Führung der Gewerkschaft UGTT an. Der Hauptangeklagte Adnane Haji und fünf weitere Beschuldigte wurde zu je zehn Jahren verurteilt. Alle 33 wurden für schuldig befunden, einer kriminellen Vereinigung angehört zu haben. Diese sei für "Attentate gegen Sachen und Personen" sowie für einen "bewaffneten Aufstand" und "öffentliche Unruhen" verantwortlich. "Die Angriffe gegen öffentliche und private Gebäude wurden minutiös vorbereitet und ausgeführt" und seien deshalb ein "Aktionsplan, um zum zivilen Ungehorsam und zur Rebellion aufzurufen". Laut Polizei sollen die Verurteilten Molotowcocktails geworfen haben.

Außerdem wurden zwei im Ausland lebende Tunesier in Abwesenheit verurteilt. Der Korrespondent des in Italien ansässigen tunesischen Oppositionssenders al-Hiwar erhielt 12 Jahre Haft und der Vorsitzende eines Unterstützerkomitees für die Bewohner von Gafsa in Frankreich, Mohieddine Cherbib, zwei Jahre. Sie sollen die "kriminelle Bande" unterstützt haben.

Bei der Urteilsverkündung kam es zu Protesten seitens der Anwälte, als die Richter sich weigerten, ärztliche Atteste zuzulassen, die eindeutige Beweise für Folterungen der Angeklagten lieferten. Die Sitzung wurde daraufhin unterbrochen, der Saal geräumt. Als das Verfahren am Nachmittag wieder aufgenommen wurde, zogen die Richter unter dem Schutz einer Polizei-Hundertschaft in den Saal ein.

Gegenüber der ausländischen Presse sprachen die Anwälte von einem "Scheinprozess". Das Urteil sei "ohne Plädoyer der Anwälte und ohne Vernehmung der Angeklagten" gefällt worden.

Das Verfahren löste zahlreiche internationale Proteste aus. Ende November, wenige Tage vor dem Prozessauftakt, reiste eine Delegation französischer Abgeordneter verschiedener linker Parteien nach Gafsa. Amnesty International verlangt eine unabhängige Untersuchung der Foltervorwürfe.

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