Kürzung war verfassungswidrig: Alte Pendlerpauschale kommt zurück

Die Kürzung der Pendlerpauschale verstößt gegen das Grundgesetz, entscheidet das Verfassungsgericht. Ab 1. Januar ist sie nach alten Regeln wieder in Kraft.

Die Bundesregierung muss Pendlern rund 7,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Bild: dpa

KARLSRUHE/ BERLIN dpa/afp/ap Die bis zu 20 Millionen Berufspendler in Deutschland kommen ab sofort wieder in den Genuss der vollen Pendlerpauschale. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag, das die weitgehende Kürzung der alten Pauschale für verfassungswidrig erklärt hat, kündigte das Bundesfinanzministerium die Rückkehr zur vollen Absetzbarkeit der Fahrtkosten zum Arbeitsplatz ab dem ersten Kilometer an.

Millionen von Pendlern können zudem mit Rückzahlungen rechnen: Nach dem Karlsruher Urteil fällt die gekürzte Pauschale rückwirkend zum 1. Januar 2007 weg, so dass auch für diesen Zeitraum die vollen Wegekosten von 30 Cent pro Kilometer von den Finanzämtern nachgezahlt werden müssen.

Ob es damit auf Dauer bei der früheren Pauschale bleibt, ist aber ungewiss. Das Bundesfinanzministerium ließ offen, wie eine künftige Neuregelung der Pendlerpauschale ab dem Veranlagungszeitraum 2010 aussehen wird. Die Bundesregierung werde dies zu gegebener Zeit entscheiden.

Nach den Worten des Zweiten Senats verletzt die seit Anfang 2007 geltende Regelung den Grundsatz der Gleichbehandlung. Danach konnten Fahrten zum Arbeitsplatz erst ab Kilometer 21 mit 30 Cent pro Kilometer steuerlich abgesetzt werden und nicht mehr - wie bis 2006 - vom ersten Kilometer an. Der Vorsitzende Karlsruher Richter Andreas Voßkuhle betonte allerdings, der Gesetzgeber sei mit dem Urteil "nicht verpflichtet, die Pendlerpauschale in ihrer alten Form wieder einzuführen".

Die Bundesregierung werde keine Maßnahmen ergreifen, um die Steuerausfälle an anderer Stelle einzusparen, teilte das Finanzministerium am Dienstag in Berlin mit. Es gehe um insgesamt rund 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis 2009. Die rund 20 Millionen Pendler würden durch Rückzahlungen der Finanzämter bereits in den Monaten Januar bis März 2009 um bis zu drei Milliarden Euro entlastet.

Der Bundesfinanzhof hatte die Kürzung der Pendlerpauschale für grundgestetzwidrig gehalten und den Streit darum dem Karlsruher Gericht vorgelegt. Die Verfassungsrichter entschieden nun, dass die Bundesregierung die Pendlerpauschale nicht allein mit dem Verweis auf leere Staatskassen habe streichen dürfen. Nach geltendem Recht hänge die Höhe der Steuer vom Nettoeinkommen der Beschäftigten ab. Sie dürfen deshalb grundsätzlich "beruflich bedingte Aufwendungen" wie Fahrtkosten zur Arbeit steuerlich geltend machen.

Durch eine Streichung der Pendlerpauschale werden dem Urteil zufolge Pendler gegenüber jenen benachteiligt, die weiterhin andere berufsbedingte Aufwendungen wie etwa eine doppelte Haushaltsführung oder eine berufliche Fortbildung steuerlich geltend machen können. Darin sieht das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos würdigte die anstehenden Rückzahlungen als "ersten steuerlichen Konjunkturimpuls". Die Nettoentlastung von 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis 2009 komme für die Arbeitnehmer derzeit gerade recht, so Glos, dessen Partei CSU die Beibehaltung der alten Pendlerpauschale plädiert hatte.

Auch die Kommunen begrüßten das Urteil: "Fahrten zur Arbeit sind rein berufliche Fahrten und sollten deshalb steuerlich abgesetzt werden können", erklärte Gerd Landsberg, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. "In einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist hohe Mobilität der Arbeitnehmer ein unverzichtbarer Standortvorteil." Dem müsse der Staat Rechnung tragen. Auch Karl-Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler, begrüßte das Urteil.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND dagegen kritisierte das Urteil der Karlsruher Richter und die Wiedereinführung der Pendlerpauschale als "ökologisch fatal und sozial ungerecht". Die Richter hätten weder die ökologischen noch die finanziellen Auswirkungen einer solchen Entscheidung berücksichtigt, kritisierte die Umweltschutzorganisation. Mit einer Wiedereinführung werde nicht nur der Flächenverbrauch angekurbelt; sozial ungerecht sei außerdem, "dass das Finanzamt Besserverdienern pro Entfernungskilometer rund das Dreifache" erstatte wie Geringverdienern.

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