Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen: Mit 60 noch im Kinderzimmer

Viele Erzieherinnen vermindern ihre Arbeitszeit - und verzichten damit auf Geld. Manche müssen sich nebenher etwas hinzuverdienen. Eine Studie zu ihren Arbeitsbedingungen.

Wer nicht mehr kann, steigt aus oder arbeitet weniger: Erzieherin im Kindergarten. Bild: ap

Viele Probleme in der Arbeitswelt haben mit Sitzgelegenheiten zu tun. Erst recht in Kindertagesstätten. "Ich habe eine Kollegin, die ist 63 Jahre alt und sitzt noch mit den Kleinen auf dem Teppich und auf den Kinderstühlchen", sagt Ursel Staub, Leiterin einer Kita in Saarbrücken. "Das führt zu Haltungsschäden, die immer noch nicht als Berufskrankheit anerkannt sind."

Der Job der Erzieherin ist stressig und ein Frauenberuf. Welche Fallen diese Tätigkeit zunehmend bereithält, ließ sich der am Montag vorgestellten Studie zum Index "Gute Arbeit" des Deutschen Gewerkschaftsbundes entnehmen, die sich mit Kinderbetreuung beschäftigt.

Rund 270.000 ErzieherInnen ackern in Kindertagesstätten, nur knapp 99.000 davon arbeiten in Vollzeit, erklärte Ver.di-Chef Frank Bsirske bei der Präsentation der Studie. 42 Prozent der Vollzeitkräfte empfinden ihren Job als sehr belastend, bei den Teilzeitkräften ist dieser Anteil nur halb so groß.

Wer nicht mehr kann, steigt aus oder arbeitet weniger. "Einige kriegen Teilrente", erzählt Staub. "viele reduzieren ihre Stunden, wenn sie älter werden."

Auch in der Studie fällt auf, wie viele Varianten es bei den Erzieherinnen gibt, um die Arbeitszeit zu reduzieren. So arbeitet fast jede Fünfte der Kinderbetreuerinnen zwischen 32 und 38,5 Stunden und fast jede Dritte zwischen 21 und 32 Stunden in der Woche. Nur ein kleiner Teil ackert auf halber Stelle.

Wer aber auch wegen persönlicher Erschöpfung seine Stundenzahl vermindert, ohne eine entsprechende Teilrente zu bekommen, der verdient entsprechend weniger. Das ist entscheidend bei einem schlecht bezahlten Beruf, in dem das Einstiegsgehalt für eine Alleinstehende in Vollzeit bei 1.300 Euro netto liegt und über 15 Berufsjahre hinweg nur auf 1.600 netto klettert. Mehr verdienen nur Frauen, die zur Kitaleiterin aufsteigen.

Wer also etwa jenseits des 50. Lebensjahres wegen eines Burn-out-Syndroms auf eine Dreiviertel-Stelle wechselt, der ist wieder beim Anfangsgehalt für die ersten Berufsjahre angekommen - mit entsprechend schlechten Aussichten für die Höhe der Rente.

"Der Erzieherinnen-Beruf ist eine Sackgasse", sagt Karin Gödecke, ehemalige Kitaerzieherin und jetzt Personalrätin im öffentlichen Dienst in Hannover. Viele der Betreuerinnen sattelten daher später noch ein Studium der Sozialarbeit drauf, manche wechselten auch als Sachbearbeiterin in den Angestelltenbereich, doch der öffentliche Dienst baue diese Stellen beständig ab. Viele hörten auch auf zu arbeiten, wenn sie durch den Ehemann versorgt sind. Doch dieses "Hinzuverdiener-Modell" sei "nicht mehr so häufig wie früher zu beobachten", schildert Gödecke. Schließlich steigt die Zahl der Scheidungen und der Anteil der Singles.

Frauen aber, die von ihrem selbst verdienten Geld leben müssen und mitunter auch nur Teilzeitjobs im Kitabereich angeboten bekommen, ziehen eine andere Konsequenz. "Der Trend geht zum Mehrfachjob", sagt Gödecke. Manche Teilzeit-Erzieherinnen arbeiten nebenbei noch im Verkauf oder hinterm Kneipentresen. Auch Staub kennt eine Kollegin, die am Samstag im Supermarkt hinter der Theke steht. "Die findet das weniger anstrengend als die Erziehertätigkeit".

Nur 26 Prozent der Erzieherinnen können sich vorstellen, die Tätigkeit bis zur Rente auszuüben, sagte Bsirske. Kaum eine glaubt, dass sie von ihrer Rente später mal gut leben kann. Im Januar beginnen Tarifverhandlungen über die Erziehergehälter, erklärte Bsirske.

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