Kommentar Autolobby: Allmacht der Autoindustrie

Der CO2-Grenzwert für Autos wird um drei Jahre verschoben. Zum Glück wird die Autolobby von ihrem Sieg nur kurzfristig profitieren.

Der lange angekündigte CO2-Grenzwert für Autos wird um volle drei Jahre auf 2015 verschoben, die Strafen werden verringert, und das einigermaßen ambitionierte langfristige Ziel für das Jahr 2020 bleibt zunächst unverbindlich: Diese EU-Einigung ist eine Katastrophe.

Die Politik versucht dennoch, das Ergebnis schönzureden: Selbst der Umweltminister, dem das Klima mehr am Herzen liegen sollte als die Profite der Autoindustrie, spricht von einem "guten Kompromiss". Offensichtlich hegt er die Hoffnung, dass normale Menschen in dem Wust aus Grenzwerten, Jahreszahlen, Prozentangaben und Ausnahmen längst den Überblick verloren haben und zufrieden sind, wenn überhaupt etwas passiert.

Dabei ist schon die Bezeichnung "Kompromiss" irreführend - faktisch hat sich die Autolobby komplett durchgesetzt. Auch die "stufenweise Einführung" des Grenzwerts ist eine Volksverdummung: Weil das CO2-Limit zunächst nur für die Autos gilt, die es ohnehin schon erfüllen, handelt es sich tatsächlich um eine Verschiebung. Und das als Erfolg präsentierte Fernziel fürs Jahr 2020 klingt gut - hat aber den erheblichen Nachteil, dass erst in einigen Jahren endgültig darüber entschieden wird. Die Autolobby schießt sich schon jetzt auf dieses langfristige Ziel ein. Was das bedeutet, ist nach dem heutigen Ergebnis absehbar.

Das Erschreckende an der EU-Einigung ist: Sie zeigt, dass die Autolobby praktisch mit allem durchkommt. Sie hat ihre Selbstverpflichtung gebrochen, sie hat die Grenzwerte mehrfach aufgeweicht und jetzt auch noch aufgeschoben. Weder die dramatischen Klimawarnungen noch die wiederholten Nachweise, dass die Vorgaben leicht umsetzbar wären, haben der Allmacht der Industrie etwas entgegensetzen können.

Tröstlich ist einzig, dass die Autolobby von ihrem Sieg nur kurzfristig profitieren wird. Denn wenn die Ölpreise weiter steigen und immer mehr Staaten Autos nach Verbrauch besteuern, werden Spritschlucker unverkäuflich werden - egal ob sie aus den USA oder aus Deutschland stammen. Ihren Sieg, der ihnen nun einige Jahre Tatenlosigkeit ermöglicht, werden die Unternehmen eines Tages bitter bereuen.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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