EU-Emissionsziele für Autos: Schonfrist für CO2-Schleudern

Deutschen Autobauern gelang es in Brüssel, künftige Auflagen für weniger CO2-Abgase abzumildern. Umweltverbände sprechen von "schwarzem Tag" für den Klimaschutz im Verkehr.

Der Grenzwert für CO2-Emissionen bei Neuwagen wird nun erst stufenweise eingeführt. Bild: dpa

Der Streit über die Klimaschutzauflagen für Pkw in Europa ist entschieden: Am Montagabend haben das Europäische Parlament, die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten eine Einigung erzielt, die der Autoindustrie weit entgegenkommt. Während ursprünglich geplant war, dass Neuwagen ab dem Jahr 2012 im Schnitt nur noch 120 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürfen, wird dieser Grenzwert nun stufenweise eingeführt: 2012 soll er für 65 Prozent der Neuwagen gelten, 2013 für 75 Prozent, 2014 für 80 Prozent und erst 2015 für die gesamte Neuwagenflotte.

Zudem werden 10 Gramm für den Einsatz von Biosprit und Leichtlaufreifen angerechnet, sodass die Hersteller nur einen Emissionswert von 130 Gramm pro Kilometer erreichen müssen. Das entspricht einem Verbrauch von 5,6 Liter Benzin oder 5 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Weitere Gutschriften von bis zu 7 Gramm pro Kilometer soll es für "Ökoinnovationen" wie solarbetriebene Fensterheber geben. Die Details dazu sind noch offen.

Abgemildert wurden auch die Strafen, die Hersteller bei Überschreiten der Grenzwerte zahlen müssen: Die ursprüngliche vorgesehenen 95 Euro pro Gramm und Fahrzeug gelten nun erst ab 4 Gramm Überschreitung. Für das erste zusätzliche Gramm müssen die Hersteller nur 5 Euro bezahlen; das zweite Gramm kostet 15 Euro, das dritte 25 Euro.

Die Einigung enthält zudem ein längerfristiges Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollen die klimaschädlichen Emissionen auf 95 Gramm sinken. Diese Entscheidung sei nach Auskunft des Bundesumweltministeriums aber noch nicht verbindlich, sondern stehe unter dem Vorbehalt einer "Folgeabschätzung" der Kommission, die bis zum Jahr 2013 erfolgen solle.

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte die Einigung einen "guten Kompromiss". Es sei für das Weltklima nicht entscheidend, ob die Autoindustrie im Jahr 2012 bereits 100 Prozent der Auflagen erfülle oder nur einen Teil, sagte er am Dienstag. Auch die Industrie ist zufrieden: Mit der "Einführungsphase über mehrere Jahre hinweg" sei eine zentrale Forderung der Industrie erfüllt worden, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie. "Ich bin zuversichtlich, dass unsere Hersteller und Zulieferer diese Herausforderung meistern können."

Dass die Industrie mit der Einigung keine Probleme hat, verwundert die EU-Abgeordnete Rebecca Harms (Grüne) nicht: "Die neue Regelung erlaubt im Jahr 2012 faktisch mehr CO2-Emissionen, als aktuell von der EU-Flotte ausgestoßen wird", kritisiert sie. Das sieht WWF-Verkehrsexpertin Viviane Raddatz genauso: "Die Verschiebung um drei Jahre bedeutet, dass die meisten Hersteller bis 2012 oder länger fast nichts machen müssen, um den Verbrauch ihrer Fahrzeuge zu senken."

Auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) sprach von einem "schwarzen Tag für den Klimaschutz im Verkehr". Mit dem Kompromiss werde die jahrelange klimaschädliche Modellpolitik der europäischen Autoindustrie belohnt, sagte der verkehrspolitische Sprecher Gerhard Lottsiepen. Der einzige Lichtblick, das Langfristziel von 95 Gramm im Jahr 2020, sei noch nicht sicher. Zumindest diese Minimalforderung müsse der Umweltministerrat "ohne Wenn und Aber" beschließen.

Die beschlossenen Eckpunkte müssen bis Mitte Dezember noch formal vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten gebilligt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.