Australische Altlasten nach Schleswig-Holstein: Kein billiger Jakob für Giftmüll

Schleswig-Holstein droht die Einfuhr mehrerer tausend Tonnen extrem giftiger Abfälle aus Australien. Die Verbrennung im Hafen Brunsbüttel scheiterte voriges Jahr - jetzt steht der zweite Versuch bevor.

Landet hier bald die unwillkommene Ladung an? Die Brunsbütteler Anlage aus der Luft gesehen Bild: SAVA

Die Einfuhr von australischem Giftmüll nach Norddeutschland wird zur realen Drohung. Nach einem Anfang 2007 gescheiterten ersten Versuch hat die Chemiefirma Orica nun einen zweiten gestartet: Drei Exportanträge hat die Firma bei der australischen Regierung gestellt - die Abnehmer der etwa 22.000 Tonnen hochgiftiger Chemieabfälle sollen in Dänemark und Schleswig-Holstein sitzen.

Der Sprecher des Kieler Umweltministeriums, Christian Seyfart, erklärte jedoch, dort seien noch keine Anträge eingegangen: "Uns liegt nichts vor." Das dänische Umweltministerium bestätigte hingegen, dass ein Antrag auf Einfuhr von 10.000 Tonnen Giftmüll über den Hafen Nyborg im Osten der Insel Fünen am Großen Belt vorliege. "Und wo sollen die restlichen 12.000 Tonnen hin?", fragt deshalb Ina Walenda vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Schleswig-Holstein.

Seit nahezu zwei Jahrzehnten versucht Orica, giftige Rückstände loszuwerden, für die es auf dem fünften Kontinent keine Entsorgungsmöglichkeit gibt. So lagern im Hafen von Sydney mehr 22.000 Tonnen Chemieabfall, der mit Hexachlorbenzol (HCB) verseucht ist. HCB zählt ebenso wie Dioxin und DDT zum "Dreckigen Dutzend" der zwölf giftigsten Substanzen. Seit sie 1989 in der Baseler Konvention weltweit geächtet wurden, ist ihre Herstellung verboten.

Die Ausfuhr dieser Stoffe ist seitdem zur Vernichtung erlaubt, wenn diese im Herstellerland nicht möglich ist. Dann sind die Unterzeichnerstaaten der Konvention zur gegenseitigen Hilfe verpflichtet. Australien verfügt über keine für Supergifte geeignete Müllverbrennungsanlage - wohl aber Dänemark und Deutschland. Die Sonderabfallverbrennungsanlage (SAVA) im Hafenstädtchen Brunsbüttel soll deshalb Ziel der Giftfrachten aus Sydney sein.

2006 hatte Orica einen Liefervertrag mit der SAVA sowie einer Verbrennungsanlage im nordrhein-westfälischen Herten geschlossen. Kiel verweigerte aber die Einfuhr über Brunsbüttel. Eine Klage der Australier auf Importgenehmigung ist vor dem Verwaltungsgericht Köln anhängig. Über einen erneuten Versuch, die hoch toxische Fracht ins land zu bringen und hier zu entsorgen, ist das Kieler Umweltministerium gar nicht glücklich: "Wir haben kein Interesse daran", stellt Sprecher Seyfart klar.

Andererseits ist der Entscheidungsspielraum gering: Wenn Orica gerichtsfest nachweisen kann, dass es im eigenen Land keine geeignete Entsorgungsmöglichkeit gibt, kann der Import nach der Baseler Konvention nicht einfach so untersagt werden. "Das ist eine so genannte ,gebundene Entscheidung' ohne politischen Ermessensspielraum", sagt Seyfart.

Der BUND bezweifelt genau das. Nach seiner Einschätzung ist für Orica die Verschiffung billiger als der Bau einer eigenen Anlage. Das dürfe aber nicht dazu führen, findet die BUND-Vorsitzende Sybille Macht-Baumgarten, dass Schleswig-Holstein "zum billigen Jakob für Giftmüll aus aller Welt wird".

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