Frankreichs Sozialisten sind zerstritten: Politgeier lauern auf die Spaltung

Von der Zerstrittenheit und dem Auflösungsprozess der Sozialistischen Partei können viele Politiker profitieren.

Ex-Sozialist Jean-Luc Mélenchon könnte einer der Gewinner der Krise sein. Bild: reuters

PARIS taz "Ich will nicht auf einen Krankenwagen schießen", sagt Olivier Besancenot in einer ersten Reaktion auf den Führungsstreit in der Parti Socialiste (PS). Er fügt eine Weisheit hinzu, die in seinen Kreisen traditionell gilt: "Wer Widerstand gegen die Politik der Regierung leisten will, kann nicht auf die PS zählen". Der berühmteste Briefträger Frankreichs, der bei den letzten Präsidentschaftswahlen für die trotzkistischen LCR kandidiert und rund 1,5 Millionen Stimmen (über 4 Prozent) bekommen hat, gilt als einer der drei Männer, die politisch von dem Debakel in der PS profitieren werden. Außer Besancenot gehören noch Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der Rechtsliberale François Bayrou, der bei den Präsidentschaftswahlen knapp 19 Prozent der Stimmen bekam, zu diesem Gewinner-Dreieck.

Die trotzkistische LCR ist der aufsteigende Stern links von der PS. Zwischen den beiden letzten Präsidentschaftswahlen von 2002 und 2007, als alle anderen Linksparteien Stimmen verloren haben, konnte die LCR ihr Abschneiden verbessern. Sie legte knapp 300.000 Stimmen zu. Anfang nächsten Jahres will sie sich in Nouveau Parti Anticapitaliste (Neue antikapitalistische Partei) umbenennen. Ziel ist es, die enttäuschten Linken aus dem Lager von PS und KPF um sich zu versammeln. Manche SozialistInnen glauben, dass Besancenot auch deswegen so bekannt und beliebt ist, weil das öffentliche Fernsehen ihn immer wieder in große Sendungen einlädt. Manche Verschwörungstheoretiker behaupten sogar, Staatspräsident Sarkozy ziehe dafür im Hintergrund die Fäden. Um die PS zu schwächen.

Erste Abspaltungsbewegungen aus der PS könnten langfristig in diese Richtung gehen. Vorerst will der Senator Jean-Luc Mélenchon, der die PS Anfang November verlassen hat, eine eigene Partei gründen. Parti de Gauche (Linkspartei) soll sie heißen, wie in Deutschland. Mélenchon, der 2005 einer der wenigen sozialistischen Wortführer für ein "Non" gegen die EU-Verfassung war, hat an diesem Wochenende bereits Zuwachs aus seiner früheren Partei bekommen. Franck Pupunat, Chef der kleinen ökologischen Strömung "Utopia", verließ die PS. Pupunat war kein Schwergewicht in der PS. Bei dem Kongress in Reims bekam seine Strömung nur 1,25 Prozent der Stimmen. Aber symbolisch hat sein Schritt Gewicht. Nach 18 Jahren in der Partei hat er festgestellt, dass sie "nicht das richtige Werkzeug ist, um die Welt radikal zu verändern."

Auch rechts der PS gibt es Anwärter auf den politischen Nachlass der Partei. Allen voran Bayrou, in dem die ehemalige PS-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal einen potenziellen Bündnispartner sieht. Nach dem verunglückten sozialistischen Kongress von Reims nannte Bayrou jene SozialdemokratInnen, die offiziell eine Allianz mit ihm ablehnen, "Pinocchio". Vor allem war mit dem Lügenvorwurf Martine Aubry gemeint. Denn während sie vollmundig Bündnisse mit Bayrous Partei Modem ausschließt und nur linke Parteien als Partnerinnen bezeichnet, arbeitet die PS in zahlreichen Rathäusern mit den Rechtsliberalen zusammen.

Ein nachträgliches Argument dafür, dass er selbst die PS vor einem Jahr verlassen hat, findet auch der Bürgermeister von Mülhausen, Jean-Marie Bockel in der internen PS-Krise. Er war einer jener Politiker, die die PS verließen, nachdem Sarkozy ihm einen Posten in seiner Regierung angeboten hat. Seither hat Bockel eine eigene kleine Partei im Schatten des rechten Bündnis UMP gegründet, die Gauche Moderne heißt, aber kaum jemand wahrnimmt. Die PS-Krise nennt Bockel "die tragische Krönung eines Auflösungsprozesses."

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