Politische Lösung kommt zu spät: Somalias Islamisten siegessicher

Die radikale Shabaab-Miliz dringt bis kurz vor Somalias Hauptstadt vor und errichtet ein islamisches Regime. Wird der von Äthiopien gestützte Präsident Abdullahi Yusuf entmachtet?

Kämpfer der islamistischen Shabaab-Miliz in einem Camp bei Mogadischu. Bild: ap

NAIROBI taz Fast zwei Jahre nach dem Einmarsch äthiopischer Truppen in Somalia beherrschen die von ihnen bekämpften Islamisten wieder den Großteil des Landes. Von Süden aus marschiert die islamistische Shabaab-Miliz jetzt auf die Hauptstadt Mogadischu zu. Gestern nahmen sie das Dorf Elasha ein, nur 15 Kilometer von Mogadischu entfernt - und gerade einmal zwei Kilometer von Äthiopiens größter Militärbasis auf dieser Seite der Hauptstadt. "Wir wollen Frieden", behauptete Sheikh Abdirahim Isse Addo, der die mit Maschinengewehren und Panzerfäusten bewaffneten Truppen auf ihrem Weg begleitete. "Wir werden die Menschen vor Banditen beschützen und vor den Äthiopiern."

So nah standen die Shabaab noch nie vor Mogadischu, seit Ende 2006 Äthiopien die islamischen Gerichtshöfe von dort vertrieb und eine somalische Übergangsregierung einsetzte. Doch an den versprochenen Frieden glaubt in Elasha niemand. Dort leben Flüchtlinge aus Mogadischu, wo es in den letzten zwei Jahren Tausende Kriegstote gegeben hat. Die Angst ist groß, dass in diesen Tagen ein neuer Krieg um Mogadischu beginnt. "Wir wissen nicht, wohin, wenn äthiopische Truppen und Shabaab-Milizen hier jetzt zu kämpfen beginnen", sagt eine Mutter von vier Kindern. "Nach Mogadischu zurück kann man auch nicht."

Die Shabaab-Kämpfer sind militärisch im Vorteil: Sie kontrollieren den Süden Somalias und seit Mittwoch auch die strategisch bedeutende Hafenstadt Merka. Sheikh Omar Iman Abubakar von der radikalen Fraktion der "Allianz zur Wiederbefreiung Somalias" (ARS-Asmara) verkündete auf Merkas Marktplatz die neuen Regeln: "Fünfmal am Tag wird gebetet, alle anderen Geschäfte müssen währenddessen ruhen." Wie 2006 regieren die Islamisten mit Zuckerbrot und Peitsche: In Zentralsomalia, das sie ebenso wie weite Teile des Nordens kontrollieren, zerstörten sie die ungeliebten Straßensperren, an denen Regierungssoldaten Wegegeld erpresst hatten. Auf Musik, Fernsehen und die beliebte Droge Khat müssen die Somalier allerdings ebenfalls verzichten. In den Städten herrschen Waffenverbote, aber zugleich droht Frauen die Steinigung, die nicht voll verschleiert auf die Straße gehen.

Hinter den Shabaab-Milizen steht unter anderem der in Eritrea untergeschlüpfte international als Terrorist gesuchte Hassan Dahyr Aweys, der die äthiopische Armee aus Somalia vertreiben und einen Gottesstaat errichten will. Aweys verurteilt moderate islamistische Kräfte, die in Dschibuti einem Friedensabkommen mit der Regierung in Mogadischu zugestimmt haben, als Spalter - auch wenn dieser Vertrag vorsieht, dass die Äthiopier in einer Woche abziehen sollen. Dass das passieren wird, gilt angesichts der neuen Kämpfe als unwahrscheinlich.

Somalias Präsident Abdullahi Yusuf befand sich denn auch gestern zum zweiten Mal in diesem Monat in Äthiopien. Angeblich soll ihm ein Plan vorgelegt werden, der seine Entmachtung vorsieht. Ein Gesetzentwurf des regionalen Staatenbundes Igad gewährt dem Präsidenten nur noch zeremonielle Aufgaben. Ein neues Kabinett, dem auch moderate Islamisten angehören, soll unter Achmed Abdisalam gebildet werden, Stellvertreter des jetzigen Premiers Nur Adde. Doch für eine solche politische Lösung könnte es schon zu spät sein.

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