Zufriedene Reaktionen: Das sagt die Welt über Obama

Ob in Palästina oder Irland, China oder Berlin - die Wahl Barack Obamas wurde in aller Welt bejubelt. Oder zumindest gutgeheißen. Die Reihe der Gratulanten war endlos lang.

"Obama for Kanzler" - auch Deutschland ist vom Wahlsieger begeistert. Bild: dpa

JERUSALEM taz Im Souvenirladen von Tarik Abu Daya, der zentral in der Stadt Gaza liegt, sind sich der designierte US-Präsident Barack Obama und Ismael Hanijeh, Chef der Hamas im Gazastreifen, schon ganz nah. In Reih und Glied stehen die Kaffeebecher mit dem Bild der beiden Politiker - Obama vor dem Weißen Haus, eingerahmt von der palästinensischen und der US-amerikanischen Flagge. "Komm und trink den palästinensischen Kaffee mit dem Aroma der US-Präsidentschaftswahl", steht auf dem geschmackvollen Gefäß. Text und Design stammen von Ladenbesitzer Abu Daya persönlich. Auch die Herstellung ist hauseigen, wobei das Rohmaterial, die noch unbedruckten Becher aus chinesischer Massenproduktion, durch Tunnels via Ägypten in den Gazastreifen geliefert wird.

50 Schekel, umgerechnet immerhin zehn Euro, kostet der Becher mit dem Aufdruck von Abu Hussein, wie der US-Präsident in spe schon fast liebevoll von Palästinensern genannt wird. Nach dem Wahlsieg Obamas will Abu Daya, der nun auf "einen zweiten Bill Clinton" hofft, die Vermarktung seines Bechers nach Jerusalem und Bethlehem ausweiten. Im Westjordanland wird Obama vermutlich eher neben Palästinenserpräsident Mahmud Abbas stehen oder der Tasse mit dem Bild des verstorbenen PLO-Chefs Jassir Arafat. Abu Daya hat für jeden politischen Geschmack das Passende im Angebot.

VON SUSANNE KNAUL

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PEKING taz Lou Huanqing, 19, und seine Freundin Wan Xinyi, 20, schwänzen an diesem Tag ihre Vorlesung über Algorithmen. Li Yuqiao, 26, Student der Finanzwirtschaft, steht ungewöhnlich früh auf. Cheng Han, 19, studiert internationale Beziehungen und hat sich diesen Morgen schon seit langem freigehalten.

Nun aber sind alle enttäuscht. Im Studentencafé Banmutang nahe der Peking-Universität flimmert ein Kochkurs über den Flachbildschirm. "Das Staatsfernsehen will uns die demokratische Kultur Amerikas vorenthalten", sagt Wan.

Also essen die Studentinnen und Studenten ihre Frühstücksteller mit Reis und Rindfleisch leer und ziehen auf der Suche nach einer Drahtlos-Verbindung ins nächste Starbucks-Café um. Lou klappt seinen Laptop auf, geht auf Sina.com online. Endlich gibt es die Wahlergebnisse aus den USA im Minutentakt.

Die Frauen Wan und Cheng sind entzückt: Sie finden, Obama sei gut aussehend, ein feinfühliger Typ und respektvoll gegenüber anderen Kulturen. Die Männer Lou und Li aber lachen nur. "Unmöglich, dass Obama den Niedergang der USA aufhält", sagt Lou, dazu hätten die Amerikaner schon zu viel von ihrer Zukunft per Kredit konsumiert. Sagt es und bestellt teuren amerikanischen Kuchen mit Kaffee.

Bald reden die vier über die Finanzkrise, den Kapitalismus und den Kommunismus. Der frisch gebackene künftige US-Präsident kommt nicht mehr vor. Die vier jungen Leute glauben, über Wichtigeres zu sprechen. Obwohl sie extra alle früh für die Wahlen aufgestanden sind.

VON GEORG BLUME

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BERLIN taz Mit der Freundin, die ebenfalls lange in den USA gelebt hat, saß sie die Nacht vorm Fernseher. Virtuell, aber lebendig mit dabei: der Gatte in New York, via Skype. "Als Pennsylvania um halb drei an Obama ging, war eigentlich alles klar", sagt sie. "Aber wir haben uns verweigert und haben uns weiter bemüht, aus den Nachrichten was Schlechtes herauszufiltern."

Optimismus war verboten, denn Optimismus hatte 2000 und 2004 böse Folgen gehabt. Nie wieder sollte ein republikanischer Präsident sich an heller Verzweiflung, überraschter Enttäuschung deutsch-amerikanischer Ostküsten-Akademiker weiden dürfen. Bewaffnet bis an den Haaransatz mit grimmigem Pessimismus wollte man die Nacht in Berlin-Friedrichshain durchstehen. Bagel mit Cream Cheese, Lachs und roten Zwiebeln, Pizza, Jägermeister und Marillenlikör mussten dabei helfen. Der Gatte in New York kaute und trank auf Skype das Gleiche.

Auch der Gatte in New York unkte aus Leibeskräften: Waren wegen der Warteschlangen nicht schon wieder Stimmen der Armen und Alten verloren gegangen? Wäre Ohio nicht notorisch unzuverlässig? Gemeinsam suchten sie die einschlägigen Blogs und Seiten im Internet nach Beweisen ab, dass McCain noch gewinnen könnte. "Bis endlich fivethirtyeight.com sagte, dass McCain ab sofort null Prozent Chancen hätte."

Als Ohio gewonnen war, fiel die Freundin in einen plötzlichen Tiefschlaf. Sie selbst hielt dagegen noch bis zu Obamas Siegerrede kurz nach sechs durch. "Und als dann Joe Biden auf die Bühne kam und so unglaublich glücklich aussah, da musste ich natürlich tatsächlich weinen", sagt sie.

VON ULRIKE WINKELMANN

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BANGKOK taz Groß und pausbäckig, gelocktes Haar und stets in Bermudas - das sei ihr "Barry" gewesen. So erinnern sich alte Klassenkameraden aus Indonesien an den neuen US-Präsidenten. Dort hatte der heute 47-jährige Barack Obama mit seiner Mutter, einer weißen Amerikanerin, und seinem indonesischen Stiefvater zwischen 1967 und 1971 gelebt. In Jakarta war er zur Schule gegangen.

"Wir sind so stolz auf ihn, es ist unglaublich", sagt seine frühere Schulkameradin Dewi Asmara Oetojo, heute Abgeordnete des indonesischen Parlaments. "Er war jemand, mit dem man gut auskam, und er war auch sehr weise", sagt Oetojo weiter. "Barry" habe gesagt, dass er einst Präsident werden wolle. "Natürlich haben wir das damals, als wir alle so klein waren, sehr lustig gefunden."

Jetzt, wo der Traum des Grundschülers von einst wahr geworden ist, sind viele überzeugt: Für den Westen ist Obama eine Brücke, um die Menschen im Osten besser zu verstehen - im Unterschied zu manch anderen US-Präsidenten. Schon Obamas Wahl zum Senator 2004 hatte seine indonesischen Freunde elektrisiert, auch wenn sie es zunächst nicht glauben konnten. Doch nachdem sie ein Foto von ihm sahen, welches ihn als Jungen zeigte, waren sie überzeugt, dass "dieser magere US-Senator tatsächlich unser pausbäckiger, hyperaktiver Barry war".

Vor allem erinnern sie sich daran, wie der junge Barack stets seine eigenen Sandwiches mit zur Schule brachte - zum Erstaunen seiner nudelessenden MitschülerInnen. Fasziniert waren sie auch von seinen Haaren: "Sie kräuselten sich immer wieder zurück, genau wie unsere Nudeln."

VON NICOLA GLASS

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MONEYGALL taz Als Barack Obama spät in der Nacht als neuer US-Präsident feststeht, sind die meisten hier schon betrunken. Die "Mutter aller Partys", wie es der protestantische Pfarrer Stephen Neill bezeichnet, hatte in dem irischen Dorf Moneygall bereits am frühen Dienstagabend begonnen. Neill hatte anhand von Kirchendokumenten voriges Jahr nachgewiesen, dass Obamas Urururgroßvater Fulmuth Kearney 1850 aus Moneygall nach Ohio ausgewandert ist. "Ausgerechnet Ohio, das für die Wahl seines Nachfahren nun entscheidend war", sagt Neill.

Um Viertel nach zwei stellt er die neue Version des Hits "Theres No One As Irish As Barack OBama" von Hardy Drew and the Nancy Boys ins Internet - mit zusätzlichen Strophen, in denen das Wahlergebnis berücksichtigt ist. "Unsere Verbindung zum Weißen Haus wird uns aber nicht zu Kopf steigen", sagt Henry Healy, Obamas Cousin neunten Grades. "Höchstens der Alkohol."

Die Party, an der die meisten der 298 Einwohner teilnahmen, geht bei Ollie Hayes, einer der beiden Dorfkneipen, weiter bis ins Morgengrauen. Die US-Demokraten hatten eine Ladung Obama-Wahlplakate geschickt, mit der das Wirtshaus dekoriert worden ist.

"Die Feier kann nur durch eine Homecoming Party übertroffen werden", sagt Pfarrer Neill schließlich. "Obama hat versprochen, er werde das kleine Dorf in Irland, das ihn adoptiert hat, besuchen und ein Glas von dem schwarzen Bier trinken."

VON RALF SOTSCHECK

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PARIS taz Der Kiosk im fernen Osten von Paris ist eine ideale Quelle für Antiamerikanismus. Mhamed Azzouz, der den Laden führt, ist ein Kind der nordafrikanischen Einwanderung. Und ein bekennender Linker. Beides sind Seltenheiten in einer Branche, wo es sonst nach altem Frankreich müffelt. Azzouz ist permanent entrüstet. Weiß immer, wo gerade demonstriert und gestreikt wird. Berät beim morgendlichen Zeitungskauf mit politischen Argumenten. Und agitiert seine Kunden mit flammenden Reden über Guantánamo, über Bombardements in Afghanistan und andere Bushismen. Zugleich bläst er Trübsinn über sein eigenes berufliches Schicksal. Denn am Ende der Kette im Zeitungsgeschäft ist der Niedergang der Printmedien besonders schmerzlich zu spüren.

Doch am Morgen nach der Wahl von Obama strahlt der Zeitungshändler bis über beide Ohren. In seinem Laden drängeln sich so viele Kunden, wie schon seit September 2001 nicht mehr. Darunter Afrikaner, die nie zuvor bei ihm gekauft haben. Und von denen er vermutet, dass sie gewöhnlich keinen Grund haben, Zeitung zu lesen. Alle tragen ein kleines Lächeln in den Mundwinkeln. Azzouz hat den Rekordabsatz vorausgesehen und mehr Zeitungen als sonst bestellt. "Ein Schwarzer im Weißen Haus", sagt er, "das ist eine zweite Geburt für die Minderheiten der Welt. Eine Rache für Sklaverei, Kolonialismus und Diskriminierung".

Fast alle, die an diesem Morgen Halt in Azzouz Laden machen, berichten von ihrer Freude. Von ihrer angenehmen Gänsehaut. Und von ihrem Hoffen, "dass er nicht enttäuscht". Und selbst jene, die politisch weiter rechts stehen, finden noch etwas Positives an dem neuen US-Präsidenten. "Das ist gut für die Mischung", sagen sie.

Azzouz, der sonst jeden Morgen die Welt verbessern will, ist an diesem Tag rundum zufrieden. Er ist überzeugt, dass Obamas Wahl "schwerer wiegt als der Fall der Mauer von Berlin". Er reiht euphorische Adjektive aneinander: "magnifique, historique, monumental, beau". Und er glaubt, dass es in Frankreich noch eine Weile dauern wird, bis ein Nachfahre von Einwanderern auf einen Platz an der Spitze des Élysée-Palast hoffen darf. Seinen Kunden sagt er an diesem speziellen Tag: "Heute sind wir alle Amerikaner."

VON DOROTHEA HAHN

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