SPD nach Hessen-Eskalation: Bloß kein Beißkrampf

Die SPD will einen neuen Richtungsstreit vermeiden, um den Schaden nach dem Hessen-GAU nicht noch zu vergrößern.

Ball flach halten: Franz Müntefering Bild: dpa

BERLIN taz Die Bundes-SPD versucht am Tag nach der Explosion in Wiesbaden Normalität zu inszenieren. Parteichef Franz Müntefering hatte am Montag die Linie vorgezeichnet: den Ball flach halten. Die SPD-Spitze kritisiert Andrea Ypislanti nicht oder nur vorsichtig - und äußert mehr oder weniger drastisch ihr Unverständnis über die Abweichler. Bloß kein innerparteilicher Beißkrampf, bloß keine endlose Gesinnungsschlacht wie im Februar, nachdem Kurt Beck und Ypsilanti die Doktrin, dass es keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Westen geben solle, klandestin aufgehoben hatten.

Auch die SPD-Rechte gibt sich verhalten. Offiziell will man am liebsten gar nichts sagen, inoffiziell heißt es, dass Ypsilanti ihren Widersacher Jürgen Walter im Kabinett hätte einbinden müssen. Aber Ypsilantis Rücktritt fordern auch die rechten Seeheimer nicht. Jürgen Walter taugt auch nicht zum Märtyrer, zum Opfer der machtfixierten Andrea Ypsilanti. Dafür hat er, mit seiner späten Offenbarung, zu krass gegen die innerparteilichen Spielregeln verstoßen.

Den Auschluss der vier Abweichler aus Fraktion und Partei fordert selbst die Juso-Chefin Franziska Drohsel nicht. Die vier sollten "sich überlegen, ob sie ihre Zukunft noch in der SPD sehen, und gegebenfalls ihr Mandat zurückgeben", sagte Drohsel der taz. Kampfansagen klingen anders.

Von SPD-Rechten hört man, Ypsilanti werde sich nun eben dem demokratischen Härtetest unterziehen müssen: den sich abzeichnenden Neuwahlen. Darin steckt durchaus Schadenfreude. Man hat es ja immer gewusst. Ypsilanti, die manche für eine Leuchtfigur der SPD-Linken hielten, wird zu einer Provinzpolitikerin schrumpfen, die sich auf eine gepfefferte Wahlniederlage einrichten kann - so sie denn tatsächlich weitermacht.

Aber das sind Stimmungen und Rechthabereien. Auch die SPD-Rechte wünscht sich nicht Kurt Becks alte Linie "Keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Westen" zurück. Denn die Malaise, die am Montag in einem Knall in Wiesbaden endete, hatte ja mit Becks Fehleinschätzung begonnen, dass die SPD die Linkspartei im Westen bekämpfen könne, indem sie jede Zusammenarbeit ausschließe.

So sieht es auch der SPD-Linke Karl Lauterbach. "Wir werden CDU und FDP nicht den Gefallen tun, auf rot-rote oder rot-rot-grüne Machtoptionen in den Ländern zu verzichten." Er hält, anders als SPD-Rechte, allerdings nicht Ypsilanti für hauptverantwortlich. "Dies ist nicht ihre Niederlage, sondern die von Walter und seinen Gefährten", sagte Lauterbach. Und: "Walter hätte seine Gewissensbisse doch ausgehalten, wenn er Wirtschaftsminister geworden wäre." Die Tonlage von SPD-Rechten und -Linken ist anders - die Schuldfrage wird anders beantwortet. Aber die strategische Linie ist klar: Rot-Rot in den Ländern ist möglich, Rot-Rot im Bund 2009 ausgeschlossen.

Doch auch wenn das Fiasko in Wiesbaden keinen scharfen innerparteilichen Zwist in der SPD auslösen mag - es schmälert die politischen Aussichten der SPD. Die der Parteilinken zugehörigen grünen Fraktionsvize Jürgen Trittin und Bärbel Höhn attestierten der SPD in Hessen, kaum handlungsfähig zu sein. Die in sich gespaltene SPD, so Höhn, war "der unzuverlässigere Partner". Trittin sieht durch Wiesbaden die Chancen für Rot-Grün insgesamt schwinden. Zudem gibt es in der Spitze der Bundesgrünen seit längerem die Kritik, dass die hessischen Grünen sich zu eng an die Ypsilanti-SPD gebunden hätten.

Solche Untertöne müssen die SPD sorgen. Denn die Grünen haben in Hamburg gezeigt, dass sie ideologisch manchmal sehr flexibel sein können.

STEFAN REINECKE

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