Rechtsruck in Österreich: Konservative als Königsmacher

Trotz schwachen Abschneidens bei den österreichischen Parlamentswahlen geht ohne die ÖVP in einer künftigen Koalition nichts.

Trotz starker Verluste, die ÖVP hat eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung. Bild: ap

WIEN taz "Meine erste Reaktion war, das Land zu verlassen." Bei der Schriftstellerin Marlene Streeruwitz weckte der Rechtsruck bei den Wahlen vom Sonntag Fluchtgedanken. Die Kollegen Robert Menasse und Karl-Markus Gauß, Kabarettisten wie Lukas Resetarits und Filmschaffende wie Ruth Beckermann tragen sich zwar nicht mit Auswanderungsplänen, sorgen sich aber um das gesellschaftliche und intellektuelle Klima im Gefolge des Triumphs der Rechtspopulisten. Die FPÖ von Heinz-Christian Strache und das BZÖ von Jörg Haider sind die Gewinner der Nationalratswahlen. Miteinander wären sie mit 29 Prozent zweite Kraft, knapp hinter den Sozialdemokraten (29,8 Prozent).

Im FPÖ-Bierzelt ging es hoch her am Wahlabend. Junge Burschen im Yuppie-Look, gereifte Frauen im Dirndl und Männer mit alkoholroten Nasen und fettigen Haaren feierten den Triumph ihres Tribunen Strache. Nur als der Aufstieg Jörg Haiders von 4 auf 11 Prozent gemeldet wurde, mischte sich etwas Empörung unter die Euphorie.

Deutlich gedämpfter war die Stimmung bei der SPÖ, ist die Partei doch erstmals unter die 30-Prozent-Marke gerutscht. Das Festzelt der ÖVP (25,6 Prozent) blieb voll, solange Freibier und Wurst ausgegeben wurden, die Parteigrößen machten sich aber rar. Vizekanzler Wilhelm Molterer trat kurz auf, um seine Niederlage einzugestehen, ließ aber nicht erkennen, welche Konsequenzen man ziehen wolle. Auch bei der Elefantenrunde im ORF ließ sich Molterer nicht aus der Reserve locken.

Die ÖVP, die mit fast 9 Punkten am meisten verloren hat, bekam vom Wahlvolk eine Schlüsselposition zugewiesen. An ihr liegt es, eine Neuauflage der großen Koalition zu ermöglichen oder die Politik auf längere Zeit zu blockieren. Die Alternativen wären der Gang in die Opposition oder ein Bündnis mit beiden Rechtsparteien. Beide Varianten sind bei Funktionären und Parteivolk nicht populär. In der Opposition fühlt sich die machtbewusste ÖVP nicht wohl. Und die Koalition mit den verfeindeten Brüdern Strache und Haider birgt Sprengkraft. Anders als die SPÖ hat Molterer die Rechtsallianz nie dezidiert ausgeschlossen. Und sei es nur, um den eigenen Preis bei Koalitionsverhandlungen hochzutreiben. Es fehlt aber auch nicht an Stimmen, die die große Koalition für abgewählt erklären. Der steirische Landesparteiobmann Hermann Schützenhöfer erinnerte an "die bürgerliche Mehrheit" im künftigen Parlament und rief zur Koalition mit den Rechtspopulisten auf. Politologe Anton Pelinka findet es skurril, von der FPÖ, "der proletarischsten Partei Österreichs", als bürgerlicher Kraft zu sprechen, und glaubt auch nicht, dass diese Konstellation regierungsfähig wäre.

Wie es weitergeht, wird aber von der Personalentscheidung bei der ÖVP abhängen. Sonntagabend im Zelt der ÖVP wurden Rufe nach einem Rücktritt des Gespanns Wilhelm Molterer/Wolfgang Schüssel laut. Landwirtschaftsminister Josef Pröll erhielt besonderen Applaus. Er hat mit Werner Faymann als Regierungskoordinator gut zusammengearbeitet und wäre der logische Vizekanzler, wenn man mit der SPÖ wieder handelseinig wird. "Die Koalition alten Stils" sei abgewählt und man müsse "die Lehren daraus ziehen", verkündete er im ORF. "Einfach so zur Tagesordnung übergehen geht sicher nicht." Außerdem warnte er, "der Verlockung von rechts" nachzugeben.

Werner Faymann, der mathematisch die Möglichkeit einer Koalition mit der FPÖ hätte, bleibt bei seinem Nein zu den Rechtsparteien. Da die Grünen (9,8 Prozent) zu schwach sind, hat er seine Karten auf die Wachablösung bei der ÖVP gesetzt.

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