Viele Ziele, vage Zahlen

BILDUNGSGIPFEL Über den Wunschzettel sind sich Kanzlerin und Länderchefs einig, Finanzfragen bleiben umstritten

Das Ziel, die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren, ist nur noch ein Randthema

AUS BERLIN RALPH BOLLMANN
UND ANNA LEHMANN

Die Ministerpräsidenten der 16 Länder haben am Mittwoch auf einem Bildungsgipfel in Berlin mehr Geld vom Bund für Bildung und Forschung gefordert. Koppelungsgeschäfte mit den im Bundesrat strittigen Steuergesetzen der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene lehnten die Länder geschlossen ab, behauptete der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Mit einer endgültigen Einigung über die Finanzverteilung wird bis zum Sommer gerechnet. Dessen ungeachtet bekräftigten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) die Ankündigungen, die sie bereits auf dem Bildungsgipfel des Vorjahres oder in der Koalitionsvereinbarung von Union und FDP gemacht hatten.

Neu ist die konkrete Ankündigung, dass die Bafög-Sätze für Studierende um zwei Prozent steigen sollen, die Steuerfreibeträge für deren Eltern um drei Prozent. Studierende aus einkommensschwachen Elternhäusern erhalten derzeit maximal 648 Euro pro Monat, sofern sie nicht mehr zu Hause wohnen. Das Bafög wird zu 65 Prozent vom Bund und zu 35 Prozent von den Ländern finanziert.

Gleichzeitig hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan ihre Ankündigung wiederholt, ein Stipendienprogramm zu starten. Der Bund will Studierende mit monatlich 300 Euro sponsern lassen, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Private Mäzene sollen die Hälfte beisteuern, der Bund übernähme dann den Rest.

Für bessere Lehre und entspannteres Studieren will der Bund ein „Qualitäts- und Mobilitätspaket“ schnüren. So steht es bereits im Koalitionsvertrag. Das will sich der Bund einen dreistelligen Millionenbetrag kosten lassen.

Um angehende Lehrer gezielter für den Beruf vorzubereiten, sollen in jedem Bundesland Kompetenzzentren für die Lehrerbildung angesiedelt werden. Die Zentren sind nach Ansicht der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine gute, wenn auch nicht ganz frische Idee. „Schavan setzt sich auf einen Trend drauf“, sagt der nordrhein-westfälische GEW-Vorsitzende Andreas Meyer-Lauber. In NRW wird gerade die gesamte Lehrerausbildung in solche Zentren verlagert. Der Bund will außerdem in einer Imagekampagne für den Lehrerberuf werben.

Dass jedes Kind vor Schulbeginn die deutsche Sprache beherrschen sollte, hatten Bund und Länder im letzten Jahr festgestellt, Union und FDP hatten es im Koalitionsvertrag bekräftigt. Beim letzten Bildungsgipfel hatten die Länder zugesagt, bis 2012 die Sprachförderung sicherzustellen.

Vage bleiben Bund und Länder beim Bekenntnis, mehr behinderte Kinder in Regelschulen zu unterrichten. Derzeit lernen 85 Prozent der als behindert geltenden Kinder an Sonderschulen. Der zuständige UNO-Sonderbeauftragte hatte Deutschland deswegen gerügt. Wann hier Besserung in Aussicht ist und wie viele Sonderschüler davon profitieren könnten, ließen die Ministerpräsidenten offen.

Die noch vor einem Jahr oft genannten Schulabbrecher waren bei diesem Gipfel nur noch ein Randthema. Bund und Länder hatten sich 2008 darauf geeinigt, die Quote der Jugendlichen, die jedes Jahr ohne Abschluss bleiben, von 8 auf 4 Prozent zu halbieren. Auch die 100.000 jugendlichen Altbewerber, die auf einen Ausbildungsplatz warten, gerieten angesichts der Streitereien um die Steuer in Vergessenheit.