Immer mehr Pubs schließen: Britische Kneipenkrise

In England werden immer mehr Pubs geschlossen - wird die nationale Institution bald ganz verschwinden?

Trauriger Pubbesitzer. Bild: dpa

Die Briten haben keinen Durst mehr. Voriges Jahr mussten 1.400 Pubs mangels Kundschaft schließen - sieben Mal mehr als im Vorjahr. Und im zweiten Quartal 2008 ist diese Zahl noch um ein Drittel gestiegen. So gibt es heute weniger als 57.000 Gaststätten auf der Insel. "Zum ersten Mal in der Geschichte findet man in mehr als der Hälfte unserer Dörfer kein Wirtshaus", sagt Iain Loe von der "Campaign for Real Ale", die sich der Förderung eines obergärigen Getränks ohne Zusatz von Kohlensäure verschrieben hat.

Ein Ende des Wegsterbens ist nicht abzusehen. Manche schätzen, dass in weiteren 8.000 Pubs die Zapfhähne versiegen werden, andere sind pessimistischer und rechnen sogar mit bis zu 20.000 Kneipen. Zurzeit geben täglich fünf Wirte auf. Die Probleme deuteten sich schon lange an, die Umsätze haben sich in den vergangenen 30 Jahren fast halbiert, seit vorigem Jahr brechen sie jedoch beschleunigt ein. Noch 1978 gingen 60 Millionen Pints - das ist das magische Biermaß von 0,56 Litern - über den Tresen.

Besteht die Gefahr, dass diese britische Institution eines Tages ganz verschwinden könnte? Pubs sind älter als Universitäten, die Londoner Brauerei Youngs existiert seit 1533. Vor 100 Jahren gab es schon einmal ein großes Pubsterben, als der durch einen kurzfristigen Börsenboom überbewertete Preis für Wirtshäuser dramatisch fiel und viele Besitzer die Schulden nicht mehr zahlen konnten. Diesmal kommen andere Faktoren hinzu: das Rauchverbot seit Juli vergangenen Jahres, die steigenden Lebensmittel- und Strompreise. Außerdem ist Alkohol in den Supermärkten wesentlich billiger, denn die meisten verkaufen ihn unter dem Einkaufspreis, um Kunden anzulocken. Das erklärt auch, warum die Pubs von den Alkoholexzessen britischer Jugendlicher nicht profitieren.

Supermärkte können zudem die Erhöhung der Alkoholsteuer, die jedes Jahr im Haushaltsplan unweigerlich vorgesehen ist, besser kompensieren. Finanzminister Alistair Darling von der Labour Party hat angekündigt, dass die Steuer in den kommenden vier Jahren um zwei Prozent über der Inflationsrate erhöht werde. Der Besitzer der Utopia Bar in der schottischen Hauptstadt Edinburgh hat deshalb seine Kollegen aufgefordert, Darling in jedem Pub im Land Hausverbot zu erteilen. 200 Wirte haben bisher zugesagt.

Auf dem Land verschwinden aber nicht nur die Pubs, sondern auch andere Geschäfte. 42 Prozent der kleinen Städte und Dörfer haben keinen einzigen Laden mehr. Seit 1997 schließen 50 Läden pro Woche, seit 1990 haben 40 Prozent aller Bankfilialen dichtgemacht, 2.500 Postämtern droht dasselbe Schicksal. Doch das Kneipensterben verändert das "social life" am dramatischsten. Früher war es unvorstellbar, zu Hause zu trinken. Das geschah höchstens zu Weihnachten oder bei Familienfeiern. Die "Public Houses" mit ihren gemusterten Teppichen und den Plüschmöbeln waren soziale Knotenpunkte, hier trafen sich alle Klassen. An Mahlzeiten gab es höchstens Erdnüsse und Kartoffelchips.

Prinz Charles ist ein großer Freund dieser Landgasthöfe. "The Pub is the Hub", sagte er einmal: Der Pub ist die Radnabe, um die sich alles dreht. Noch.

RALF SOTSCHECK

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