Kubas Sportler im Leistungstief: Ehrengold für die Abgestürzten

Sporterfolge werden in Kuba als Erfolge der Revolution reklamiert. In Peking blieben die kubanischen Olympioniken jedoch überaus blass. Die sportliche Krise ist kaum zu übersehen.

Da war die Sportwelt noch in Ordnung: Kubas AthletInnen im Stadion von Rio de Janeiro bei den Panamerikanischen Spielen 2007. Bild: dpa

Ein ziemlich inniges Verhältnis haben die sportbegeisterten Kubaner zu ihrer Volleyballmannschaft der Frauen. Als "Espectaculares Morenas del Caribe", spektakuläre Mulattinnen der Karibik, sind die in die Annalen eingegangen. Für Medaillen am Fließband bürgte auch die Boxstaffel und das Lieblingsteam Fidel Castros, die Baseballequipe. Zweifelsfrei hat die Medaillenflut der letzten dreißig Jahre einiges zum kubanischen Selbstwertgefühl und auch zur Identität als Sportnation beigetragen. Als "Botschafter der Revolution" hat Compañero Fidel Castro die Athleten einst geadelt.

Doch richtig glänzen konnten die Botschafter von einst bei den Spielen in Peking diesmal nicht. Weder die Boxer noch die Baseballcracks und auch die "Espectaculares Morenas del Caribe" konnten die Erwartungen im Heimatland erfüllen. Ein Dilemma auf das die nationale Presse mit Schlagzeilen wie "Peking hat uns alarmiert" reagierte. Im Klartext heißt das: Im Sport steckt der Wurm. Doch der oberste Sportfan Fidel Castro will das nicht wahrhaben und griff flugs zur Feder, um seine Lieblinge in Schutz zu nehmen.

So fiel die Generalabrechnung vorerst aus, denn was in Peking nicht so gut klappte, holte der 82-jährige Berufsrevolutionär nach - er verlieh den kubanischen Olympioniken eine "Goldmedaille für die Ehre". Sie hätten, so Compañero Fidel in einer seiner Kolumnen, die Schiedsrichter gegen sich gehabt.

Nicht nur im Boxen sei kriminell mit den jungen kubanischen Athleten umgegangen worden. Auch im Taekwondo witterte er Schiebung und verteidigte Angel Valodia Matos. Der Kampfsportler hatte den Schiedsrichter blutig getreten, nachdem dieser ihn im Kampf um die Bronzemedaille disqualifiziert hatte. Solidarität mit dem Kampfsportler forderte Castro ein und sah nicht zum ersten Mal eine Mafia hinter den olympischen Kulissen am Werk.

In Kuba kommt das nicht überall gut an. So kritisierte der bekannte sozialdemokratische Oppositionelle Manuel Cuesta Morúa die Rechtfertigung der Gewaltanwendung gegen den Schiedsrichter als unannehmbar und bezeichnete die Ergebnisse der Olympischen Spiele als "regelrechten Zusammenbruch des spartanischen Sports in Kuba". Im Medaillenspiegel war das ernst so erfolgsverwöhnte Kuba aus den Top Ten auf Platz 28 des Rankings abgestürzt - hinter Jamaika und Brasilien.

Für viele Sportfunktionäre auf der Insel ist das Abschneiden in Peking ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse. Offen ausgesprochen wird das selten - und wenn, dann nur anonym, denn der Sport gehört neben dem unentgeltlichen Gesundheits- und Bildungssystem zu den zentralen "Errungenschaften der Revolution" wie es in Kuba heißt.

An dem nagt allerdings auch der Zahn der Mangelwirtschaft. "Aus einer Mischung aus falschem Stolz, Irrealismus und fehlender Demut will man nicht erkennen, wie schlecht es um den Sport bestellt ist", erklärt Tanía Quintero, eine im Schweizer Exil lebende Kubanerin. Deren Sohn Iván García arbeitete auf der Insel lange als unabhängiger Sportjournalist und hat auf einen zentralen Punkt immer wieder hingewiesen. "Abwanderung ist ein gesellschaftliches Phänomen, von dem auch der Sport betroffen ist", betont García, der sich inzwischen unter anderem mit dem Drehen von Hochzeitsvideos über Wasser hält. Laut der offiziellen Version von Compañero Fidel gibt es hingegen eine internationale Mafia, die der "dritten Welt die Athleten raubt".

Deutschland spielt dabei aus der Perspektive des ehemaligen Staatschefs, der sich seit gut zwei Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt hat, eine wichtige Rolle. Hier boxen gleich ein halbes Dutzend kubanischer Faustkämpfer für Geld, darunter drei Olympiasieger von Athen. Aus "den Botschaftern der Revolution", zu denen Castro Kubas Athleten einst ernannt hat, sind Botschafter des Mangels geworden. "Ich kann meiner Familie aus dem Ausland besser helfen als auf der Insel", hat Kubas Boxweltmeister Erislandy Lara schulterzuckend nach seiner Ankunft in Deutschland im Juni dieses Jahres gesagt. Ein Realismus von dem Compañero Fidel nichts wissen will.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.