Raumfahrer Reinhold Ewald: "Der Kampf der Systeme"

Der Weltraumfahrer Reinhold Ewald glaubt, dass die von Ost und West getragenen Weltraumprojekte trotz der aktuellen Spannungen weitergeführt werden.

Die internationale Raumstation ISS bei einem Andockmanöver, Grafik von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA. Bild: ap

taz: Dienstag vor 30 Jahren umkreiste der erste Deutsche im Weltall die Erde. Herr Ewald, wie erlebten Sie diesen Tag?

Reinhold Ewald: Ich war zu dieser Zeit bereits begeistert von der Raumfahrt. Im Westen wurde aber nicht viel vom sowjetischen Raumfahrtprogramm berichtet. Schade. Denn sonst hätte ich viel eher von dem netten Menschen Sigmund Jähn erfahren.

Sie haben ihn getroffen?

Als ab 1990 das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Kooperationsverträge mit der russischen Weltraumbehörde unterzeichnete, hat man Sigmund Jähn gebeten, die neuen Kosmonauten zu unterstützen. So habe ich ihn kennengelernt.

Was ist das für ein Mensch?

Sie würden ihn in einer Fußgängerzone nicht erkennen. Sigmund hat eine Aura, die ihm ermöglicht, dem Studium seiner Person auszuweichen. Man muss ihn schon bei entsprechenden Anlässen beim Kragen packen, um zu gewährleisten, dass er die ihm zustehende Würdigung erhält. Er hat diesbezüglich schon zu viel unter der mit ihm gemachten Propaganda gelitten. Als Vogtländer neigt er sowieso nicht dazu, sich in den Vordergrund zu drängen.

Wie sah der Wettlauf im Weltall damals aus?

Der Kampf der Systeme wurde auf verschiedenen Feldern geführt - leider im Rüstungssektor, natürlich aber auch im Sport und bei der Raumfahrt. Die Amerikaner gewannen zunächst jenes Rennen mit der ersten bemannten Mondlandung 1969. Den Sowjets gelang es aber als erste, das Arbeiten im All von dem Transport ins All zu entkoppeln. Die Sojusrakete war ein sicheres und billiges Verkehrsmittel zu den Raumstationen Saljut und MIR. Als wir Ende der Achtzigerjahre über die Grenze schauten, hatten die Sowjets schon eine große Erfahrung im Betrieb einer Raumstation.

Gab es auch eine Weltraumkonkurrenz zwischen den beiden deutschen Staaten?

Die Zeitungsmeldungen aus der DDR schütteten 1978 eine Menge Spott und Hohn über die Bundesrepublik aus, die es demzufolge nicht schaffte, einen Astronauten ins All zu bringen. Wir haben uns ja auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern bei der Entwicklung des Shuttle konzentriert. Die Bundesrepublik war führend im Bau des Space-Labs. So war Ulf Merbold 1983 der erste Nichtamerikaner bei einer Nasa-Mission.

Die Sowjets erschienen in jener Zeit gastfreundlicher als die Amerikaner.

In den USA war zwischen dem Apollo-Programm und dem Spaceshuttle nicht viel an Einladungen auszusprechen. Ähnlich wird die Situation nach 2010 sein, wenn die Shuttleflotte ausgemustert wird. Es wird dann hoffentlich nicht ganz so lange dauern, bis den USA neue Transportmittel zur Verfügung stehen. Bis dahin sind sie auf die Russen angewiesen.

Werden die Spannungen zwischen Russland und den USA hier eine weitere Zusammenarbeit nicht unmöglich machen?

Erfahrungsgemäß nein. Die Projekte im Rahmen der Internationalen Raumstation sind so langfristig geplant, dass sie unabhängig von kurzfristigen politischen Ereignissen durchgeführt werden. Die entsprechenden Verträge sind schon vor langem abgeschlossen worden. Die ISS ist das größte Kooperationsprojekt zwischen den beiden Ländern nach Ende des Kalten Krieges.

Klappt Entspannungspolitik in der Schwerelosigkeit besser?

Als ich 1990 zum Training in das Sternstädtchen bei Moskau kam, habe ich vom Kalten Krieg wenig mitbekommen. Die Leute dort waren eher damit beschäftigt, ihr Leben in einem zerfallenden Staat in den Griff zu bekommen. Diese Situation war im All ähnlich.

Ein zerfallender Staat betrieb weiterhin Raumfahrt?

Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher warnte Ende der Achtziger vor dem Abwandern russischer Experten, die von Staaten, die uns nicht freundlich gesonnen waren und einen strategischen Vorteil dadurch erhofften, angeheuert werden könnten. So gab es auch von deutscher Seite das Bestreben, diese Fachkräfte in ihrem Land zu halten. Sicherlich passt da auch die deutsch-russische Raumfahrtzusammenarbeit mit hinein. Man gab Geld und verpflichtete die Russen zu einer kooperativen Haltung. Auch von russischer Seite gab es für die Kooperation eine hohe Bereitschaft. Schließlich gab es kaum Geld vom russischen Staat, und man wollte das Projekt über Wasser halten.

Manche Raumfahrer berichten von der Sicht aus dem Fenster, als wenn der Anblick des Planeten Menschen zu Engeln werden lässt.

Es ist schon ein völlig neuer Eindruck, in 90 Minuten einmal um die Erde zu kreisen. Der Österreicher Franz Viehböck, verheiratet mit einer Kroatin, war zu Zeiten des Jugoslawienkriegs oben. Als er auf den Balkan schaute und kommentierte, was da gerade los war, war dies sehr ergreifend für mich. Da kommt einem schon die Idee, das von oben regeln zu wollen. Das können wir aber eben nicht. Es ist aber tatsächlich schon angeregt worden, Politiker ins All zu bringen, um ihnen globale Zusammenhänge sichtbar zu machen.

Raumfahrt ist teuer. Warum lohnt es sich trotzdem?

Forschung ist allgemein teuer. Trotzdem forschen wir. Wir wollen ja nicht zu einer Agrargesellschaft zurückkehren. Wir brauchen technischen Fortschritt allein schon, um Probleme zu lösen, die wir selbst geschaffen haben. Viele Errungenschaften der Raumfahrt sind inzwischen selbstverständlicher Bestandteil unseres Lebens: Navigation, Erdbeobachtung, Wetterbeobachtung, Telekommunikation. Inzwischen gibt es hochlukrative Aufgaben im Weltraum. Die bemannte Raumfahrt ist die Kür, mit der Europa Kompetenz demonstriert.

Seit Neil Armstrong auf dem Mond war, brennt in der Pfanne kein Spiegelei mehr an?

Das ist eine Legende. Teflon ist eine Erfindung der Vierzigerjahre. Nicht so jedoch Mikrotechnik und -elektronik oder leichte extrem stabile Werkstoffe.

Was bringen uns die nächsten 30 Jahre?

Die Staaten werden in noch größerem Umfang miteinander kooperieren. Der Mond sollte nicht nur für einige Tage Besuch von Menschen bekommen. Auch eine bemannte Mission zum Mars ist in dieser Zeitspanne denkbar. Ein absehbares Ziel wäre auch die Reise zu einem Asteroiden zwischen Mars und Jupiter.

INTERVIEW: LUTZ DEBUS

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