EU-Mission gegen Seeräuber: Bundeswehr darf Piraten jagen

Die Bundesregierung hebelt die Beschränkungen des Grundgesetzes für die Bundesmarine aus. Im September soll die EU-Aktion beschlossen werden, im Dezember könnte es losgehen.

Die Fregatte "Emden" wurde im April dieses Jahres gleich zweimal innerhalb eines Tages von Piraten überfallen. Bild: dpa

FREIBURG taz Nach langem Brüten hat die Bundesregierung einen Kniff gefunden, wie sie die Bundesmarine gegen Piraten vor Somalia einsetzen kann, ohne das Grundgesetz zu ändern: Deutsche Kriegsschiffe sollen im Rahmen einer EU-Mission teilnehmen. Schon Mitte September könnte die Aktion auf EU-Ebene beschlossen werden, operativer Start wäre im Dezember, so das Verteidigungsministerium.

Völkerrechtlich sind solche Einsätze der Marine kein Problem. Das Seerechtsübereinkommen von 1982 erlaubt es, Piratenschiffe anzuhalten, zu beschlagnahmen, Piraten festzunehmen und vor Gericht zu stellen. Eine konkrete Gefahrensituation ist nicht erforderlich. Einzige Einschränkung: Das Abkommen gilt nur auf Hoher See, also außerhalb der 12-Meilen-Zone Somalias.

Anfang Juni 2008 beschloss der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1816, dass die gleichen Rechte auch innerhalb der 12-Meilen-Zone Somalias wahrgenommen werden können. Die überforderte somalische Regierung war mit dieser Resolution einverstanden.

Das Problem für die Bundeswehr liegt im deutschen Verfassungsrecht. Das Grundgesetz erlaubt Einsätze der Bundeswehr nur zur Verteidigung und nur, soweit es die Verfassung ausdrücklich erlaubt.

Nach der Ordnung des Grundgesetzes gilt jedoch der Kampf gegen Piraten als Polizeiaufgabe, dafür ist die Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz) zuständig. Die Bundespolizei hat zwar hochseetaugliche Patrouillenboote, aber nicht vor Somalia. Dagegen ist die Bundeswehr im Rahmen der US-geführten Anti-Terror-Mission "Operation Enduring Freedom" schon seit Jahren immer wieder mit einzelnen Schiffen in dieser Region vertreten.

Bisher darf die Marine Nothilfe bei Piratenangriffen leisten. Die Verfolgung von Piraten nach erfolgtem Angriff gilt jedoch nicht als Nothilfe - selbst dann nicht, wenn ein Boot gekapert und die Besatzung entführt wurde. Als die Piraten-Diskussion Anfang des Jahres aufkam, diskutierte man in Deutschland zunächst über eine Grundgesetzänderung. CDU/CSU und SPD sind in Wehrfragen derzeit jedoch nicht einigungsfähig, weil Innenminister Schäuble (CDU) die Bundeswehr zugleich auch für den Objektschutz im Inland und zum Abschuss von besetzten Passagierjets in einem Quasiverteidigungsfall einsetzen will. Beides lehnt die SPD ab.

Als Lösung gilt jetzt, dass die Bundeswehr im Rahmen einer EU-Mission tätig werden soll. Solche Einsätze im Rahmen eines "Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit" erlaubt das Grundgesetz in Artikel 24. Auf diese Vorschrift stützen sich seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1994 alle Auslandseinsätze der Bundeswehr. Der Bundestag muss der Beteiligung an einer EU-Anti-Piraten-Aktion allerdings noch zustimmen. CHRISTIAN RATH

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