Wie China Westkost integriert: Sushi aus Gouda und Schokolade

In China isst man immer mehr Schokolade, Käse, Pizza und Rohkost. Dem traditionellen Geschmack kommt das nicht entgegen, aber dem Hunger nach Neuem.

Noch keine Sandwiches und Cornflakes: Traditionelle Garküche in Guilin in China Bild: dpa

Laufend erreichen uns solche Horrormeldungen: Chinesen sorgen für steigende Kaffeepreise. Der Weltkäsepreis steigt - wegen der Chinesen. Und nun ganz aktuell auch noch das: Chinesen essen uns die Schokolade weg.

Um 10 bis 15 Prozent steigt nach Angaben des deutschen Süßwarenhandelsverbands der Konsum des Milliardenvolkes pro Jahr. Zwar mache der Konsum chinesischer Schokoladen mit einem Jahresumsatz von rund 600 Millionen Euro nur rund 1 Prozent des Weltmarktes aus, der Trend zeige aber steil nach oben. Wegen der steigenden Nachfrage liegen die Kakaopreise bereits jetzt schon auf dem höchsten Stand seit 1989. Was ist bloß los mit dem chinesischen Gaumen? War Käse im Reich der Mitte nicht verpönt und galt als vergammelte Milch? Können die Chinesen nicht bei ihren Spezialitäten wie gebratenem Hund, gedünsteter Seegurke oder frittierten Maden bleiben?

Dass innerhalb kurzer Zeit Pizza, Mousse au Chocolat und Hamburger so schnell Einzug in Chinas Küchen gehalten hat, dürfte an dem hohen Stellenwert des Essens in der chinesischen Gesellschaft liegen. Auch wird alles Neue eifrig aufgegriffen.

Vor allem die Menschen aus der südchinesischen Provinz Guangdong (Canton) haben auch innerhalb Chinas den Ruf, so ziemlich alles zu essen, was kriecht und zuckt. Ein Sprichwort besagt: Der Cantonese isst alles, was Beine hat, außer einem Tisch, alles, was fliegt, außer einem Flugzeug, und alles, was schwimmt, außer einem Ozeandampfer.

Im Prinzip stimmt das auch. Nur eine Ausnahme galt bis vor Kurzem: Das Essen durfte nicht roh sein. Salat fanden Chinesen lange Zeit widerlich, ungedünstete Karotten nicht genießbar. Und roher Fisch, wie es die Japaner bevorzugen? Völlig ausgeschlossen. Weißkohl und Gurken waren roh allemal eingelegt akzeptiert oder als zierlich geschnitzte Verzierung beim sautierten Fischschnitzel nach Zhejiang-Art.

Das hat sich radikal verändert: Vielen Chinesen, vor allem auf dem Land, kostet es zwar nach wie vor Überwindung, genussvoll einen Teller Salat zu sich zu nehmen. Aber gerade bei der wachsenden Mittelschicht in den Großstädten hat sich "organic", also Bio, im Alltag längst durchgesetzt. Selbst das spanische Sommergericht kalte Gaspacho erfreut sich wachsender Beliebtheit. Und während bis vor kurzem dreimal am Tag warm gegessen wurde, also auch morgens, mampft man zum Frühstück immer häufiger Sandwich und Cornflakes mit Milch - das geht halt schneller, als frühmorgens gleich den Wok aufzusetzen.

Die Befürchtung, dass mit dem Einzug des westlichen Essens die chinesische Küche dem Untergang geweiht ist, dürfte aber unbegründet sein. Denn Chinas Köche sind Meister im Adaptieren. Schokolade, Käse und Schweinshaxe werden kombiniert mit traditionellen Gerichten wie kandierten Süßkartoffeln, Dampfbrötchen und Lotuswurzeln. Derzeitiger Renner in Shanghais Haute Cuisine: Sushi, in dem statt rohem Fisch ein schönes Stück gereifter Altgouda steckt, garniert mit Ingwerstreifen, klein gehacktem Koriander und einem Tupferl geschmolzener Schokolade. Für umgerechnet stolze 6 Euro das Häppchen. Denn natürlich steigt auch in China der Schokoladenpreis. FELIX LEE

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