Bundesregierung im Kaukasus-Konflikt: Der gefesselte Steinmeier

Beim Zwist in der SPD musste sich der Außenminister hinter Parteichef Beck einreihen. Nun muss er erneut Rücksicht nehmen: Er darf der Kanzlerin nicht widersprechen.

Darf nicht sagen, was er will: Frank-Walter Steinmeier. Bild: ap

BERLIN taz Es ist wieder einmal der stellvertretende Regierungssprecher, der als Sozialdemokrat in Diensten der christdemokratischen Kanzlerin die einheitliche Linie der Koalition formulieren muss. "Es gibt in der großen Koalition eine gemeinsam getragene Russlandpolitik", sagt Thomas Steg in diesen Tagen immer wieder: Abzug der russischen Truppen aus Kerngeorgien bis zum heutigen Freitag um 24 Uhr und dennoch das Offenhalten des Gesprächskanals nach Moskau. Das Bekenntnis zu einem georgischen Nato-Beitritt, aber erst irgendwann in ferner Zukunft.

Bei der Kanzlerin und ihrem Außenminister klingt das schon anders. Natürlich halten sich die beiden eisern an die gemeinsame Sprachregelung. Am Mittwoch demonstrierten sie in der Kabinettssitzung bestes Einvernehmen. Welche Sätze sie in der Öffentlichkeit besonders nach vorne stellen, das unterscheidet sich dann aber doch. "Georgien wird, wenn es das will, und das will es ja, Mitglied der Nato sein": Das war der Satz, mit dem sich Angela Merkel bei ihrem sonntäglichen Besuch in Georgien wie schon zwei Tage zuvor in Russland vernehmen ließ. Frank-Walter Steinmeier hingegen betont lieber den Wunsch, den Gesprächsfaden mit Moskau nicht abreißen zu lassen und jetzt "keine Schnellschüsse abzugeben".

Allseits wird versichert, dass die Kanzlerin mit ihrem Nato-Satz nur die Beschlüsse des Bukarester Gipfeltreffens vom Frühjahr wiederholt habe. Das sei damals wohl nicht richtig verstanden worden, sagt der Regierungssprecher. "Der Gipfel von Bukarest ist in seiner Bedeutung unterschätzt worden", erklärte Steg, "es ist in Bukarest die Richtungsentscheidung gefallen in dieser Frage" - auch wenn Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern damals die sofortige Aufnahme in den Membership Action Plan abgelehnt habe. Umgekehrt verwahrt sich die Regierung aber auch gegen den Vorwurf, gerade damit die russische Führung zu ihrem Vorgehen ermuntert zu haben. "Da gilt es einer Legendenbildung vorzubeugen", sagte Steg.

Man spürt, dass dieser Krieg einen Einschnitt bedeutet im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Eine "Zäsur", wie der Regierungssprecher sagt. Es geht um so etwas wie eine außenpolitische Richtungsentscheidung, für Europa vielleicht sogar wichtiger als seinerzeit der amerikanische Einmarsch im Irak. Anders als damals gibt es darüber aber keinen offenen innenpolitischen Streit. Kurz nach Kriegsausbruch brachen sich in Äußerungen aus der zweiten Reihe zwar noch die alten Reflexe Bahn, seither klingen alle Statements seltsam gedämpft unter dem Schallkessel der großen Koalition.

Weil es auf der internationalen Bühne einen Zwang zum geschlossenen Auftreten gibt, verbietet sich ein offener Streit wie in der Innenpolitik über Pendlerpauschale oder Erbschaftssteuer. Als der tragisch Gefesselte erweist sich einmal mehr der Außenminister. Wie schon im SPD-internen Richtungsstreit, wo Steinmeier sich gegen seine eigenen Überzeugungen stets fügte. Legendär ist das Bild vom vergangenen Februar, als die Parteigremien den westdeutschen Landesverbänden Bündnisse mit der Linkspartei erlaubten und sich der Parteivize Steinmeier hinter dem Vorsitzenden Kurt Beck einreihen musste.

Ähnlich wie in der Innenpolitik um sein Verhältnis zu Beck, steht es in der Außenpolitik um Steinmeiers Beziehung zu Merkel. Wie er aus Parteiräson nicht offen gegen den SPD-Chef zu opponieren wagt, so kann er in der Außenpolitik nicht der Kanzlerin widersprechen.

Es ist deshalb sehr zweischneidig, dass der Außenminister derzeit viel Lob von Christdemokraten bekommt. "Steinmeier hat sich der Position der Kanzlerin zunehmend angenähert", stellt der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg beglückt fest. "Bundeskanzlerin und Außenminister sind substanziell dichter beieinander als manchmal dargestellt."

Dabei ist es bei den Sozialdemokraten noch immer eine tief sitzende Überzeugung, dass ein gutes Verhältnis zu Russland im elementaren deutschen Interesse sei. Auch wenn der Entschluss des Altkanzlers Gerhard Schröder, sich bei der deutsch-russischen Gaspipeline auf die Gehaltsliste setzen zu lassen, diese Grundüberzeugung mit dem Makel des monetären Interesses behaftet hat. Der 86-jährige Egon Bahr, einst Architekt der Entspannungspolitik, gilt in der SPD noch immer als der unbestrittene außenpolitische Vordenker.

Das ist bei den Sozialdemokraten keine Links-rechts-Frage, eher im Gegenteil. Es sind vor allem die Realpolitiker vom eher rechten Parteiflügel, die einen pragmatischen Umgang auch mit Regimen von zweifelhafter demokratischer Reputation propagieren. Das war auch in den Siebzigern so: Die Verfechter des "Wandels durch Annäherung" machten sich keine Illusionen über den autoritären Charakter der Regierungen, mit denen sie verhandelten.

Umgekehrt war es die SPD-Linke Heidemarie Wieczorek-Zeul, die den Dalai Lama bei dessen jüngstem Deutschlandbesuch empfing und damit das Bekenntnis zu einer Menschenrechtspolitik ganz im Sinne der Kanzlerin ablegte. Damit brachte sie allerdings den sonst so souveränen Regierungssprecher erstmals ins Schleudern: Als Steg das Treffen öffentlich ankündigte, wusste Steinmeier davon noch nichts.

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