Lärmschutz in Norderstedt: Pssst!

Norderstedt verabschiedet einen detaillierten Lärmminderungsplan. Umsetzung einer EU-Richtlinie setzt Maßstäbe. Besonders revolutionär ist der Verzicht auf einen eigenen Autobahnanschluss.

In der Einflugschneise: Das größte Lärmproblem für Norderstedt bleibt der benachbarte Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel. Bild: dpa

Der Plan heißt "lebenswert leise", und er wurde nahezu geräuschlos beschlossen. Einstimmig verabschiedete die Stadtvertretung von Norderstedt Ende voriger Woche einen Lärmaktionsplan, der europaweit Maßstäbe setzt. Denn die 74.000 Einwohner zählende Stadt am Nordrand Hamburgs ist die erste Kommune dieser Größenordnung in der EU, welche die europäische Richtlinie zum Umgebungslärm umsetzt. Der einstimmige Beschluss von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken beweise, sagt Stadtrat Thomas Bosse, "dass wir einen Weg gefunden haben, viele Interessen zu einen".

Von einer Idee allerdings habe die Kommunalpolitiker sich bereits verabschiedet. Das Tempo auf der Nord-Süd-Achse, der ehemaligen Bundesstraße 433, zu bremsen, sei illusorisch: "Tempo 30 auf sieben Kilometern Länge, das setzen Sie nicht durch", sagt Bosse. Breitere Fuß- und Radwege sind allerdings gerade im Bau, die Fahrbahnbreite wird reduziert.

Der Plan enthält auch eine Bestandsaufnahme der Lärmsituation in der Stadt. Danach leben 4.300 BewohnerInnen mit einem Geräuschpegel von 65 dB(A) und mehr, der zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Mit Schlafstörungen wegen Lärms von 45 dB(A) oder mehr in der Nacht müssen etwa 18.700 Norderstedter rechnen.

Als großes Problem gilt der Autoverkehr in der Schlafstadt, in der Tausende ehemalige HamburgerInnen im Grünen wohnen, aber weiterhin in der Hansestadt arbeiten. Mit 760 Autos auf 1.000 EinwohnerInnen gehört Norderstedt zur nationalen Spitze, in Hamburg sind es 550 Autos. Für 57 Prozent aller Fahrten nutzen die Norderstedter das Auto. Sie sollen nun motiviert werden, freiwillig mehr Strecken ohne Auto zurückzulegen. Vorgeschlagen werden Maßnahmen wie breitere Fuß- und Radwege, abgesenkte Bordsteinkanten, andere Ampelschaltungen, Parkplätze für Autos und Abstellplätze für Fahrräder an Haltestellen und bessere Fahrpläne.

Geradezu revolutionär mutet der Verzicht auf einen direkten Autobahnanschluss an. Bei der Kommunalwahl im Mai hatte die CDU ihre absolute Mehrheit verloren, die neue Mehrheit von SPD, Grünen, FDP und Linken legte Mitte Juli den geplanten Anschluss Norderstedt-Mitte an die Autobahn 7 zu den Akten. "Durch einen Autobahnanschluss im mittleren Bereich wird mehr Verkehr, auch Schwerlastverkehr, durch die Wohngebiete unserer Stadt geleitet", hieß es in dem gemeinsamen Antrag, gegen den nur die nunmehr oppositionelle CDU stimmte.

Die Norderstedter Anschlussstellen Schnelsen-Nord und Quickborn liegen rund elf Kilometer auseinander im äußersten Süden und Norden der Stadt. Der seit Ende der 70er Jahre auf der grünen Wiese gebaute Stadtteil Norderstedt Mitte mit mehreren tausend Bewohnern ist zwar keine drei Kilometer von der Autobahn entfernt, liegt aber genau zwischen beiden Auffahrten, so dass weite Fahrten durch Wohngebiete zur A 7 nötig sind.

Zudem soll der Straßenring um die Stadt, in der es sehr viele Gewerbeflächen mit entsprechendem Lastwagenverkehr gibt, fertig gebaut werden. Dann erst werde es möglich, LKW aus Wohngebieten zu verdrängen.

Echte Erfolge werden aber erst dann möglich, wenn der große Nachbar Hamburg mitmacht. Denn die fünftgrößte schleswig-holsteinische Stadt liegt direkt an der nördlichen Start- und Landebahn des Flughafens Fuhlsbüttel. Und das Problem mit dem Fluglärm wird auch durch den neuen Lärmaktionsplan nicht gemildert.

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