Kommentar Freigelassene Palästinenser: Islamisten immer noch Sieger

Israels Freilassung von 200 Palästinensern reicht nicht, um die Verfehlungen gegenüber dem dialogbereiten Fatah-Führer Abbas gutzumachen.

Israel wird 200 palästinensische Gefangene freilassen. Das klingt gut, ist aber wirkungslos. Jeder weiß, dass es sich hier nur um einen kleinen Trostpreis für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas handelt. Der Hauptgewinn ist bereits im Juli an die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah gegangen: Für die Auslieferung von zwei toten Soldaten gab der jüdische Staat damals nicht nur die Leichen von hunderten gefallenen libanesischen Kämpfern frei, sondern auch den Kindermörder Samir Kuntar. Abbas, ein Mann des Dialogs, ging dagegen leer aus.

Die Bilder des Kindermörders Kuntar vor den jubelnden Massen in Beirut werden unvergessen bleiben. Und der zweite Preis ist bereits der radikalislamischen Hamas sicher, die im Gazastreifen den israelischen Soldaten Gilad Schalit gefangenhält. Für ihn werden sie weitaus mehr Gefangene freipressen als 200.

Die späte Einsicht Israels kann den angerichteten Schaden nicht wieder gutmachen. Die Vereinbarung mit der islamistischen Hisbollah wird auch in Israel als unverhältnismäßig empfunden. Die jetzige Geste wirkt wie nachgeschoben. Mit der Hisbollah hat man sich monatelang einen Verhandlungspoker geliefert, und nun soll auch Abbas mit ein paar Zugeständnissen punkten können.

Angesichts von 11.000 palästinensischen Häftlingen in israelischen Gefängnissen ist die Anzahl zudem fast schon verschwindend gering. Natürlich sitzen nicht alle dieser Palästinenser in der höchst umstrittenen Administrativhaft, sondern viele sind verurteilte Gewalttäter. Attentate sind keine Kavaliersdelikte, egal welchem Zweck sie dienen. Doch wenn die israelische Regierung der palästinensischen Bevölkerung wirklich die Botschaft nahebringen will, dass Dialog- und Kompromissbereitschaft sich lohnen, dann muss sie mehr bieten. Die moderaten Kräfte unter den Palästinensern verlieren ohnehin immer mehr an Rückhalt. Sie brauchen nichts dringender als Erfolge, wenn sie die nächsten Wahlen gewinnen sollen. Israel müsste dazu einen Beitrag leisten - auch im eigenen Interesse.

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Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik

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